WELTEN-NEBEL
hätte ihn nicht gewundert, wenn sie auf einen sofortigen Aufbruch bestanden hätte. Manchmal war die scheue Priesterin durchaus impulsiv. Wenn sie erst zusammen reisten, würde er sie sicher bisweilen bremsen müssen. „Was ist mit der dritten Auserwählten?“
„ Ihr meint Darija, die Tochter von Carlynn und Aden?“
„ Ja, sollten wir sie gleich hinzuziehen oder erst in den Uralt-Wald reisen?“
„Ich weiß es nicht. Doch ihr könntet sie auf dem Weg dorthin aufsuchen. Jal liegt fast auf eurer Reiseroute.“
„ Wie sollen wir eigentlich den Weg zum Herzen Cytrias finden? Anders als Ihr damals können wir die Linien der Kraft nicht spüren.“
„ Tharet oder ich könnten euch begleiten. Und da wir gerade von Tharet sprechen, ich denke, wir sollten ihn von den neusten Entwicklungen unterrichten, schließlich ist er Euer Vater, Zada.“
Zada, die dem Gespräch zwischen Mawen und Yerina aufmerksam zugehört hatte, nickte.
„ Dabei fällt mir ein, Ruwen weiß auch noch nichts von unseren Entdeckungen, er hat die Übersetzung mir überlassen, nachdem er sah, wie gut wir zurechtkamen. Er sagte, er wolle die Zeit in Aaran nutzen, sein Wissen über die Stadt zu vergrößern. Ich denke, er ist irgendwo in der Stadt unterwegs. Ich werde in unseren Räumlichkeiten auf ihn warten.“
„Gut. Ihr habt die Nacht sicher kein Auge zugetan. Ruht euch aus, ich werde beginnen, eure Reise zu planen und die nötigen Vorkehrungen zu treffen. Zada, begleitet mich zum Haus Eurer Eltern.“
Jahr 3619 Mond 4 Tag 20
Jal
Sie hatte nicht damit gerechnet, so schnell voranzukommen. Obgleich sie noch keine zwei Monde auf die Umsetzung ihrer Baupläne verwendet hatte, war der Rumpf des Schiffes bereits fast fertiggestellt. Etwas in ihr trieb sie an und sie arbeitete stets von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Ihr Meister schüttelte den Kopf über ihren Eifer. „Ihr wollt Eure Ausbildung wohl so schnell wie möglich beenden. Bin ich den wirklich ein so unausstehlicher Lehrmeister?“, hatte er sie erst am Vortag gefragt.
Sie konnte ja selbst nicht erklären, warum sie solche Eile an den Tag legte.
Zumindest hatte sie es bis zum Morgen nicht gekonnte, doch dann war ein Botenvogel mit einem Brief eingetroffen. Kaum dass ihre Mutter den Brief gelesen hatte, ließ sie alles stehen und liegen und suchte ihre Tochter in der Werkstatt auf. Was Darija dann erfuhr, war unglaublich. Wieder und wieder las sie den von der Oberpriesterin verfassten Brief, jedes Wort auf seinen Sinn hin überprüfend. Doch am Inhalt bestand kein Zweifel.
Yerina hielt sie für eine Auserwählte der Götter. Wie einst ihre Eltern sollte sie daher eine Reise zum Zentrum der Macht unternehmen. Doch dort würde ihr Weg nicht enden. Vielmehr wäre dies der Anfang. Angeblich gab es in der Weite des Meeres noch andere Länder und eines davon sollte sie nun bereisen.
Da sie nicht wusste, wie sie mit dieser Nachricht umgehen und was sie tun sollte, ging sie einfach wieder an ihre Arbeit. Ihre Mutter ließ sie gewähren, faltete den Brief säuberlicher zusammen und legte ihn auf einen Stapel Holz, und ging. Immer wieder schweiften Darija Blicke hinüber zu dem Schriftstück. Was, wenn es wahr war? Aber nein, die Oberpriesterin musste sich irren. Sie verfügte über keine besonderen Gaben. Ihre Eltern waren von den Göttern mit solchen gesegnet worden, bevor sie die Aufgabe erhielten, Cytria zu retten. Sie jedoch, was konnte sie schon beitragen?
Während sie nachdachte, verrichteten ihre Hände wie von selbst ihre Arbeit. Ihr Hobel glitt über den Rumpf, um die letzten unebenen Verbindungsstellen zu glätten. Morgen würde sie eine letzte Schicht des schützenden Öls auftragen können, mit dem das Holz schon vor dem Zusammenfügen der Einzelteile getränkt worden war, um es haltbarer gegen das Meerwasser zu machen. Danach konnte sie mit dem Bau des Decks beginnen. Wenn sie weiter so gut vorankäme, wäre das Schiff in zwei Monden seetauglich.
Es fiel ihr wie Schuppen von den Augen: Das Schiff war ihr Beitrag. Damit konnte sie der Unternehmung dienen. Aber wenn dem so war, dann hatte die Oberpriesterin recht und sie war eine der drei Auserwählten. Über die anderen beiden hatte sie aus dem Brief nur wenig erfahren. Es handelte sich um einen Gelehrten und eine junge Priesterin. Die beiden würden Ende des nächsten Mondes in Jal eintreffen, um mit ihr gemeinsam den Weg in den Uralt-Wald anzutreten. Warum sie die beiden dorthin begleiten sollte, erschloss sich
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