Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
WELTEN-NEBEL

WELTEN-NEBEL

Titel: WELTEN-NEBEL Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Buchmann
Vom Netzwerk:
der letzten Tage ihren Tribut von Ihel. Er brachte ihren schlafenden Körper in eine bequemere Position, legte sich dann neben ihr nieder. Auch er brauchte Schlaf.
     

    Mond 5 Jahr 3737
    Frühling
    Tempel-Oase, Helwa
    Als er erwachte, tauchte die Nachmittagssonne die Umgebung in einen goldenen Schimmer. Die Bäume und das satte Grün um ihn herum sorgten dafür, dass ihm das Licht weit weniger grell erschien als zuvor in der Wüste. Er erhob sich und ging die wenigen Schritte, die ihn von einem kleinen See trennten, der offenbar von einer unterirdischen Quelle gespeist wurde. Gierig trank er. Noch nie hatte Wasser so köstlich geschmeckt. Er begann einen Rundgang durch die Oase. Dass dies kein gewöhnlicher Ort war, wurde ihm spätestens klar, als er auf die Ruinen eines ehemals großen Gebäudes stieß. Vorerst aber verzichtete er darauf, es genauer in Augenschein zu nehmen. Stattdessen kehrte er zu seinem Ausgangspunkt zurück, um festzustellen, ob Ihel schon wach war.
    Doch diese lag noch in tiefem Schlummer. Er betrachtete sie genauer. Die Reise durch das Gebirge und die Wüste hatte ihr zugesetzt. Ihr braunes Haar war strähnig und verfilzt, ihre Hände und Beine von Kratzern übersät, ihre Kleidung war schmutzig und ihre Wangen eingefallen. Und dennoch hatte sie nichts von ihrer Schönheit verloren, zumindest nicht in seinen Augen. Ihre äußerliche Mitgenommenheit konnte das Strahlen nicht verbergen, das aus ihrem Inneren kam und selbst dann noch wirkte, wenn sie schlief. Wie oft war er schon voller Staunen Zeuge geworden, wenn sich dieser Glanz durch starke Gefühle, Freude, aber auch Wut, verstärkte und seinen ganzen Zauber entfaltete. Eine solche Gabe war ihm noch bei keinem anderen Menschen begegnet. Ihel war wirklich etwas Besonderes, auch wenn sie selbst das nicht erkennen wollte und sich weigerte, ihre Bedeutung für die ganze Welt zu akzeptieren. Für ihn aber war sie noch mehr als die Tochter aller Völker, von der die Prophezeiung sprach. Mittlerweile sah er in dieser jungen Frau den Sinn seines eigenen Lebens. Es war ihm bestimmt, sie auf ihrem Weg zu begleiten.
    Plötzlich schreckte die Schlafende hoch. Verwirrt blickte sie sich um. Als sie ihn sah, entspannten sich ihr Züge und sie beruhigte sich.
    Er fragte: „Was ist los, hast du schlecht geträumt?“
    „ Geträumt, ja. Schlecht, nein. Aber es fühlte sich so real an.“
    „ Trink erst mal etwas und dann erzähl mir davon.“
    Er reichte ihr den Wasserschlauch, sie aber zog vor, direkt aus dem Becken der Quelle zu trinken und auch ihr Gesicht mit Wasser zu benetzen. Dann kehrte sie zu ihm zurück. Sie begann zu erzählen: „Was ich sah, ich glaube, es geschah hier. Gibt es hier irgendwelche Ruinen?“
    „ Ja, Reste eines großen Gebäudes.“ Er wies in die entsprechende Richtung und sie folgte mit den Augen seiner Hand. Dann nickte sie und fuhr fort: „Ja, es ist hier geschehen. Da war ein junger Mann, zumindest erschien es mir zunächst so. Er weinte, sein Schmerz und seine Trauer müssen sehr groß gewesen sein, denn ich glaube, ich konnte sie fühlen. Als er dann die Kleider ablegte, sah ich, dass es eigentlich eine junge Frau war, die offensichtlich allein in dieser Oase war. Ich beobachtete sie eine ganze Weile, mehrere Tage lang tat sie nicht viel mehr als essen, trinken und schlafen. Die meiste Zeit über saß sie da und starrte ins Leere. Dann aber änderte sich irgendetwas und sie begann, den Boden des Gebäudes vom Wüstensand zu befreien. Als sie diese Arbeit beendet hatte, schritt sie darüber hinweg. Dann erstrahlte plötzlich ein helles Licht und sie war verschwunden. Ich kann mich nicht erinnern, jemals einen solch detailreichen und langen Traum gehabt zu haben. Und es fühlte sich alles so real an. Das muss etwas zu bedeuten haben.“
    Er hatte stumm ihrer Erzählung gelauscht, seine Aufmerksamkeit nur durch ein gelegentliches Nicken signalisiert. Nun aber erwartete sie eine Antwort von ihm. „Ich teile deine Einschätzung. Dein Traum war kein gewöhnlicher. Ebenso wenig wie dies hier eine gewöhnliche Oase ist. Und ich glaube, ich weiß, was du in deinem Traum gesehen hast: Es gibt die Legende, dass Madia, die Cytrianerin, die die letzte Königin Helwas war, eine Zeit lang in der Zentralwüste gelebt hat. Genaueres darüber ist nicht bekannt, es wurde nie öffentlich, was damals hier passierte.“
    „ Woher weißt du das?“
    Er wusste selbst nicht, woher seine Information stammte. Er musste sie irgendwo

Weitere Kostenlose Bücher