WELTEN-NEBEL
die sie nicht vorbereitet gewesen war. Sie hatte geglaubt, von Heet aus in die Zentralwüste aufzubrechen, hatte auf den Rat der Einheimischen gehofft. Nun aber musste sie ganz allein entscheiden, wo sie mit ihrer Suche nach dem Ort ihrer Vision beginnen wollte. Und ihr fehlte es an Anhaltspunkten. Daher war sie vollkommen ratlos gewesen, als Waylen von ihr wissen wollte, in welche Richtung sie sich nun wenden sollten.
Sie hatte keine Informationen, auf die sie ihren Entschluss gründen konnte, sie würde also ein weiteres Mal auf ihr Gefühl vertrauen müssen. Sie schloss die Augen und versuchte, alle Gedanken, Zweifel und Abwägungen beiseitezulassen. Dann rief sie sich das Bild der Oase in Erinnerung. Plötzlich konnte sie ihn spüren, einen Sog. Ohne die Augen zu öffnen, lief sie los. Als sie nach wenigen Schritten stolperte, blieb sie stehen und hob reflexartig die Lider. Zu ihrem Erstaunen konnte sie sie noch immer spüren, jene Kraft, die ihr den Weg zu weisen schien und unter deren Leitung sie nach Südsüdosten aufgebrochen war.
Mond 5 Jahr 3737
Frühling
Zentralwüste, Helwa
Es wäre ihm lieber gewesen, wenn sie noch eine Weile dem Verlauf des Gebirges hätten folgen können. Dort, auf jenem Streifen, wo der Boden noch von zartem Grün bedeckt war, gab es wenigstens Wasser. Ihre gefüllten Wasserschläuche würden ihnen das Überleben in der Wüste nur für zwei oder drei Tage ermöglichen. Doch diese Kraft war wohl ihre einzige Möglichkeit, ihr Ziel überhaupt zu erreichen. Sie würden darauf vertrauen müssen, die Oase schnell zu erreichen. Alle Bedenken, die er diesbezüglich hegte, behielt er für sich, wusste er doch nicht, wie sich Unsicherheit und Zweifel auf Ihels Fähigkeit, den rechten Weg zu finden, auswirken würden. Und so stimmte er kommentarlos zu, als Ihel ihn fragte, ob sie wirklich ihrem Gefühl folgen sollten.
Immer tiefer drangen sie in die unwirtliche, heiße Wüste vor. Bald schon gab es keine Pflanze mehr, die auf diesem kargen und trockenen Boden gedieh, Steine und Sand bestimmten die Landschaft, die sich bis zum Horizont erstreckte.
Obgleich die Hitze drückend war und die Sonne unbarmherzig herabbrannte, zeigte Ihel keine Anzeichen von Erschöpfung, jener seltsame Sog schien ihr nicht nur den Weg zu weisen, sondern war wohl dermaßen unwiderstehlich, dass er jede Form körperlicher Grenzen überwinden half. Hoffentlich ließ dieser Effekt nicht irgendwann nach. Angesichts der Anstrengungen hätte ihm die Stärke gefehlt, Ihel ermutigende Worte zukommen zu lassen.
Mit der Nacht kam die Kälte. Sie waren nicht darauf vorbereitet und froren in ihrer dünnen Kleidung. Ihel schmiegte sich eng an ihn.
„ Vielleicht sollten wir die kühlen Stunden nutzen, um voranzukommen und lieber während der heißen Mittagsstunden rasten“, schlug er vor, nachdem er eine Weile vergeblich versucht hatte, einzuschlafen. Eigentlich fühlte er sich zu erschöpft, um weiterzugehen, doch es war vernünftig, zumal der Mond ausreichend Licht spendete. Ihel war sofort auf den Beinen und sie setzten ihren Weg fort.
Zwei Tage und Nächte waren sie nun schon in der Wüste unterwegs und ihre Wasservorräte waren trotz extremster Sparsamkeit fast aufgebraucht. Sie hätte sich darüber Sorgen machen sollen, tat es aber nicht. Der Sog, der sie antrieb, war mit jedem Schritt stärker geworden. Zum ersten Mal war es Waylen, der um Pausen bitten musste, während sie, trotz der nur kurzen Rasten und wenig Schlaf, voller Kraft war. Sie war wie berauscht von dieser Kraft, die sie immer tiefer in die Wüste zog. So stark wie der Sog inzwischen war, konnte ihr Ziel nicht mehr weit entfernt sein. Mit dieser Gewissheit gelang es ihr, sogar den vollends erschöpften Waylen immer wieder zu motivieren.
Es stellte sich heraus, dass sie recht hatte. Im Morgengrauen des neuen Tages zeichneten sich in der Ferne Umrisse ab, die wenig später als Bäume zu erkennen waren. Wo es Pflanzen gab, musste es auch Wasser geben. War das die Oase aus ihrer Vision? Noch einmal beschleunigte sie ihre Schritte, rannte fast, nahm selbst auf Waylen keine Rücksicht mehr.
Sie trat in den Schatten der Bäume. Der Sog verschwand ganz plötzlich und sie taumelte. Alle Kraft schien mit einem Schlag aus ihrem Körper gewichen zu sein und sie musste sich setzen. Sie bekam gerade noch mit, wie auch Waylen die Oase erreichte, bevor sie an den Stamm eines Baumes gelehnt einschlief.
Nun endlich forderten die Anstrengungen
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