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Welten - Roman

Titel: Welten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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sie nicht herunterzog. Meine Füße steckten in alten Turnschuhen, die ich zwei Monate zuvor im Wald an einem Ast gefunden hatte. Ich hatte sie mit Socken ausgestopft, weil sie mir viel zu groß waren. In meinem Rucksack hatte ich noch ein zweites Paar Schuhe, die mein Vater weggeworfen
hatte und die noch riesiger waren. Ich zog sie an und lief damit herum, während ich Schubladen öffnete, Zeug herausriss, Teppiche zurückschob und mit einer Brechstange mehrere Dielenbretter aufstemmte. Dann kam ich in ein Zimmer, das offensichtlich GF gehörte. Dort wütete ich genauso - es ging nicht anders. Selbst das fühlte sich seltsam gut an. Als ich von unten gedämpfte Laute wahrnahm, ging ich zurück in den Keller zu Mr. F.
    Am liebsten hätte ich das Gleiche mit ihm gemacht wie er mit seiner Tochter, aber damit hätte ich einen Hinweis hinterlassen. So begnügte ich mich mit kochendem Wasser, einem altmodischen Schneidbrenner und einem Hammer. Als ich den Hammer benutzte, bedeckte ich seine Füße und Hände vorsichtshalber mit einem Handtuch, um nicht mit Blut bespritzt zu werden, aber es hielt sich sowieso in Grenzen. Am meisten Blut floss wahrscheinlich, als ich mich mit einer Käsereibe über seine Knie hermachte.Trotz des Isolierbands kreischte er so laut, dass ich ihm einen Sack und dann noch eine Mülltüte über den Kopf stülpen musste, um ihn zum Schweigen zu bringen.
    Ich glaube, er erstickte, weil ich den Müllbeutel zu fest verschloss.
    Eigentlich hatte ich gar nicht vorgehabt, ihn umzubringen, zumindest nicht von Anfang an, glaube ich, doch als ich ihn bearbeitete, wurde er für mich von einem Menschen immer mehr zu einer Sache, die bei einem bestimmten Reiz so und so reagierte, zu einem organischen Gebilde, das je nach den eingesetzten Mitteln Geräusche, Muskelkontraktionen sowie Blasen und Verfärbungen auf der Haut hervorbrachte.Wahrscheinlich hatte ich auch das Gefühl, schon so viel Schaden angerichtet zu haben, dass es irgendwie sauberer war, ihn ganz zu töten. Damit meine
ich nicht, dass ich gnädig sein und ihn von seinem Elend erlösen wollte - sein Elend war schließlich das, was mich interessierte -, sondern dass er in seinem Menschsein unwiderruflich deformiert war.
    Das habe ich vielleicht nicht besonders gut ausgedrückt. Natürlich war er ganz offensichtlich ein Mensch, aber zugleich hatte er sich in etwas verwandelt, das nicht mehr menschlich war. Ich hatte das nagende, vielleicht unlogische, aber doch unausweichliche Gefühl, dass er das alles machte, dass er trotz meiner absoluten Kontrolle über ihn selbst für die Qualen verantwortlich war, die er litt. Noch heute ist mir nicht klar, weshalb ich das so empfand, aber es war so. Vermutlich regte sich in mir eine Art Verachtung für ihn, obwohl ich wusste, dass ich ihn völlig überrumpelt hatte. Ich hatte ihn bewusstlos geschlagen, während er seinen Rausch ausschlief. Welche Chance zur Gegenwehr hatte er denn gehabt? Keine. Aber so läuft es eben manchmal.
    Auf jeden Fall brachte ich ihn natürlich um. Zum Teil lag es daran, dass ich mich ablenken ließ, als ich weiter hinten im Keller nach anderen Folterwerkzeugen stöberte und dabei eine alte Autobatterie fand. Ich glaube, er starb an Sauerstoffmangel, während ich noch damit beschäftigt war, die Säure aus der Batterie zu holen. Zuerst dachte ich, dass er sich vielleicht verstellte. Er war vollkommen schlaff und hatte keinen Puls mehr am Handgelenk und am Hals, aber man wusste ja nie. Mit einer Zange zog ich an seinen Fingernägeln - die Finger waren ganz locker und bröselig, weil ich sie mit dem Hammer zertrümmert hatte -, aber er zeigte keine Reaktion, und so ging ich davon aus, dass er wirklich tot war. Um ganz sicher zu sein, schnürte ich den Müllbeutel um seinen Kopf noch fester zu.

    Eigentlich hatte ich geglaubt, dass mein Herz nicht noch fester und schneller schlagen konnte als beim Eindringen in das Haus. Aber das war ein Irrtum. Während ich Mr. F folterte, pochte es wie verrückt in meiner Brust. Ich möchte gar nicht behaupten, dass mein Verhalten auch nur annähernd professionell war, aber ich fühlte mich mächtig und kompetent, als hätte ich endlich eine Tätigkeit gefunden, die ich auf ganz natürliche Weise beherrschte.
    Natürlich hatte ich ihn nicht verhört. Ich hatte ihn nicht gefragt, ob er seine Tochter vergewaltigt und was er mit seiner Frau angestellt hatte. Ich hatte zwar mit dem Gedanken gespielt, aber letztlich hatte ich Angst, dass meine Stimme meine

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