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Welten - Roman

Titel: Welten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Nervosität verraten oder dass er durch seine Schreie einen Nachbarn aufmerksam machen könnte. Wahrscheinlich hätte ich ihn dazu bringen können, die Fragen durch Nicken oder Kopfschütteln zu beantworten, aber auf diese Idee war ich gar nicht gekommen. Eigentlich wollte ich ihm nur große Schmerzen zufügen für das, was er GF angetan hatte, und erst im Lauf der Nacht entstand in mir der Gedanke, dass ich ihn genauso gut umbringen konnte, obwohl ich mir sicher war, dass er mich nicht hätte identifizieren können, weil er weder mein Gesicht gesehen noch meine Stimme gehört hatte. Es erschien mir einfach richtig so. Es war die sauberste Lösung.
    Ich sperrte die Eingangstür auf und legte den Schlüssel zurück an seinen Platz unter dem Blumentopf. Zuletzt zerbrach ich von außen die Fensterscheibe zum Gästezimmer, damit es aussah, als wäre ich auf diese Weise eingebrochen. Auf dem Teppich unter dem Fenster hatte ich genügend Platz gelassen, so dass nicht erkennbar war, dass das Haus schon vorher durchwühlt worden war. Unbemerkt
schaffte ich es nach Hause und kroch ins Bett. Während der restlichen Nacht machte ich kein Auge zu.
    Am nächsten Tag unternahm ich einen Spaziergang in den Wald. Mit sämtlichen Kleidern im Rucksack, die ich in der Nacht getragen hatte, drang ich tief ins Unterholz vor und verbrannte alles. Die Asche vergrub ich fast einen Meter tief unter der Erde.
    Zwei Tage später wurde Mr. F von einem Arbeitskollegen entdeckt, einen Tag vor GFs Rückkehr aus dem Zeltlager. Danach wurde sie von Verwandten abgeholt und blieb fast einen Monat weg. Die Polizei suchte nach einem oder zwei Einbrechern und ging von einem missglückten Raubüberfall aus. Bis auf mich schliefen alle Einwohner der Stadt in den nächsten Wochen ziemlich schlecht. Ich dagegen schlief nach der ersten Nacht wie ein Baby. Um keine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, musste ich mir nur den prahlerischen Gang und das höhnische Grinsen verkneifen. Ich wusste, was ich getan hatte, und fühlte mich männlich und stark. Noch stolzer als darauf, dass ich einen Mord begangen hatte, ohne gefasst worden zu sein, war ich, weil ich die Sache bis zum bitteren Ende durchgestanden hatte.
    Als ich hörte, dass allen Männern in der Stadt Fingerabdrücke abgenommen wurden, ging ich ohne Protest zum Polizeirevier; nicht als einer der Ersten, aber auch nicht so spät, dass man es als Widerstreben hätte auslegen können. Ich wurde nicht einmal befragt. Die Polizei kam zu dem Schluss, dass das grausige Verbrechen von einem oder mehreren Ortsfremden begangen worden war, und allmählich kehrte man zum Alltag zurück.
    Dennoch war mein Vorgehen amateurhaft und undiszipliniert gewesen. Ich hatte gehandelt wie Polizist, Gefangenenwärter, Richter und Henker in einer Person. Und
ich gebe zu, dass mir das falsch erschien. Ich hatte etwas entdeckt, was ich konnte und was mir sogar - auf eine gerechtigkeitsliebende, doch hoffentlich nicht perverse Art - Freude bereitete, aber zugleich hatte ich auch ein schlechtes Gefühl dabei. Es muss Grenzen geben, eine Instanz legaler Rechtsprechung, eine Aufsicht, wenn man so will, die dem Folterer angemessene Befugnisse erteilt.
    Diesmal war ich zwar unerkannt geblieben, aber ich durfte mir nicht einbilden, dass ich einfach so weitermachen konnte. Außerdem hatte ich keine Lust darauf, Leute in ihren Kellern zu ermorden wie ein schäbiger Serienmörder. Mr. F hatte verdient, was mit ihm geschehen war, und ich hatte dafür gesorgt, dass er sein gerechtes Ende fand, aber damit hatte sich der Fall. Ich musste einsehen, dass ich nur dank gründlicher Vorbereitung, Umsicht und Glück meine Aufgabe erfüllt hatte, ohne ertappt zu werden.
    GF kehrte zurück und wohnte bis zum Begräbnis mit einer Tante in einem Hotel in der Innenstadt. Ich schickte ihr eine Nachricht, und wir trafen uns im üblichen Café. Sie wirkte distanziert und zugleich entspannt, und ich erkannte, dass sie wahrscheinlich Medikamente nahm. Sie trug keine Zahnspange mehr und ließ mich wissen, dass ich ihr gefehlt hatte und sie zumindest fürs Erste aufgehört hatte, sich Schnittwunden beizubringen.
    Ich ging nicht zur Beerdigung, und sie bat mich auch nicht darum.
    Später besuchte sie dasselbe College wie ich und zog mit einer Freundin in eine Wohnung. Ich lebte mit zwei Studenten ganz in der Nähe. GF und ich gingen erneut miteinander aus und nahmen unsere intime Beziehung wieder auf, allerdings schlug keiner von uns mehr Bondage-Spiele vor.

    Sie

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