WELTENTOR 2013 - Fantasy (German Edition)
Falken?
„Der Kompass!“, fiel es Jeromya wieder ein.
Er hielt ihn immer noch mit seiner Faust umklammert.
„Clavis porta iustum directionem“, sprach er tonlos den Wortlaut der Gravur nach und rieb den Schlüssel zwischen Daumen und Zeige -finger. Der blaue Lichtpfeil rauschte aus der Spirale und schlängelte sich quirlig durch die Gräser.
Der Falke schrie.
„Jetzt!“, schrie Elsa und schrieb: Jetzt! , bevor das Buch wieder über-nahm:
Jeromya rannte.
Und rannte.
Wie der Teufel.
Blindlings folgte er dem Lichtstrahl, der ihn quer über das Schlachtfeld lotste, und versuchte auszublenden, dass neben, vor und hinter ihm die Welt unterging. Aber sein schrecklichster Gegner kam aus dem Nichts von oben, wie ein Asteroid, brennend vor Wut, und sein Jagdruf klang nach tausend gepeinigten Seelen. Jetzt spie er Feuerbäll …
„… chen“, fiel Elsa der Geschichte ins Wort.
Die Villa Insomnia war nun nur noch einen Steinwurf entfernt. Jeromya schlug einen Haken, wie sein Kompass ihn vorgesehen hatte, und lief nun in einem engen Bogen auf die Eingangspforte zu. Ein Windstoß öffnete sie wie von Geisterhand, und seine Füße flogen, als er hin-durchschoss. Überall neben ihm fraßen sich die Feuerbällchen des Todesfalken in den Boden. Ein letzter Hechtsprung noch über die Stufen, dann hätte er es geschafft.
„Jetzt!“, schrie Elsa und schrieb: Jetzt!
Unten im Haus wurde eine Tür aufgestoßen.
Elsa blieb gebannt vor dem Buch sitzen.
Innerlich zerissen.
Wann durfte sie ihren Liebsten endlich in die Arme schließen und vor Glück zerspringen?
Wann?
Vor der Villa Insomnia tat sich die Hölle auf.
„Bitte“, flüsterte sie und wünschte sich, dass das Buch sie noch ein letztes Mal zu Worten kommen ließ. Für jenen alles entscheidenen Satz, auf den sie nun schon wartete, seit ...
Elsa und Jeromya glücklich und zufrieden bis an ihr seliges Ende.
lebten.
Hier.
Oder woanders.
Aber auf jeden Fall in diesem Moment.
Das Buch schweigt
Und es legt sich in Falten.
Bis sie sich zeigt
Die Stunde des Falken.
Ein Tag
Hannes Hofbauer
Meisterhaft an Präzision, unergründlich wie die tiefste Stelle der See und kalt wie das ewige Eis. So mögen die Nasthíel von einem Philo-sophen bezeichnet werden. Berechnung, Grausamkeit und gnadenloser Hass, zeichnen sie im Volksmund aus. Schützen wie Schwertfechter von unerreichter Kunst, mag ein Kriegsherr in ihnen sehen. Gewiss werden viele auch von Todesengeln unbeschreiblicher Schönheit spre-chen.
Ich möchte nicht versuchen Worte für diese Wesen zu finden, da alles, was ich niederschreiben könnte, jedes Wort- und Satzgefüge, so perfekt es auch klingen mag, niemals ausreichen würde, um all ihre Wesenszüge und all die Schönheit wie auch Grausamkeit der Nasthíel auf Papier zu bannen. Ich möchte diese Zeilen eher dazu nutzen, mit meinen Worten ein Bild zu zeichnen. Ein Bild, welches vielleicht eine Seite, eine kleine Facette dieser Wesen verdeutlicht. Vielleicht nur ein Pinselstrich in einem Gesamtwerk und doch werde ich versuchen, dabei eine kleine Wahrheit zu enthüllen. Eine Wahrheit über Nasthíel und eine Wahrheit über Bilder.
Wer ich bin? Ich bin Narîssa und dies ist meine Geschichte … über das Leben. Mein Leben .
Ich schreite langsam durch die Gänge meines Hauses. Meine Hand streicht sanft über das schwarz gefärbte Birkenholz, welches meine Haut schon so oft berührt hat. Schon als Kind bin ich durch diese U mgebung gelaufen, habe diese Wände sogar einmal mit dem Blut eines Hasen bemalt. Es war mein erstes Kunstwerk. Sicher, für die Augen eines Erwachsenen war es nur Geschmiere und ein Beispiel an Respektlosigkeit. Doch betrachtet durch meine damals noch unschuldigen Kinderaugen und mit Hilfe meiner Fantasie war es vollkommen. Dass ich die Einzige war, die diese Schönheit erkennen konnte, machte sie für mich zu etwas Besonderem und Unvergesslichem. Es war mein erstes Gemälde und das einzige, das mir je genommen wurde. Es wurde ausgelöscht und doch wird es in meinen Erinnerungen ewig erhalten bleiben.
Heute besitze ich eine Galerie und zu dieser gehe ich gerade. Ein san fter Hauch streicht über meine nackten Oberarme, als ich an einem offenen Fenster vorbei schreite. Die Luft ist von Kälte erfüllt, da draußen Winter herrscht und noch dazu tiefste Nacht. Das einzige Licht, das meinen Weg begleitet, ist das kalte Strahlen des Mondes, welches meinen
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