WELTENTOR 2013 - Fantasy (German Edition)
Unterschiede und unübersehbaren Differenzen streben sie aber alle danach glücklich zu sein in ihrem Leben oder in jenem Leben, welches nach diesem kommen mag. Und wenn Trauer doch die Schattenseite von Glück ist, wie kann dieses Gefühl dann vollkommen sein?“
Narîssa dachte einige Sekunden über diese Worte nach und musste lächeln, da ihr dieser Gedanke trotz seiner Einfachheit in diesem Mo -ment als völlig richtig erschien.
Der Ethíel schien ihr Lächeln wohl auch als Zustimmung aufzufassen, denn blitzschnell hielt er eine wunderschöne Blume in Händen, die er ihr so dicht unter die Nase hielt, dass ein Blütenblatt sogar sanft ihre Unterlippe berührte. Dann sprach er: „Also holde Elfenmaid, seid Ihr nun bereit einen Tag des Glücklichseins mit mir zu verbringen, damit ich Eure Vollkommenheit wieder herzustellen vermag?“
Narîssa musste lachen und sprach dann: „Nun, wenn Ihr mich nicht mehr mit Elfenmaid, sondern mit meinem Namen ansprecht, bin ich durchaus gewillt Euch eine Chance zu geben. Mein Name ist Narîssa.“ Ungefragt nahm er daraufhin ihre Hand und küsste sie, während er sprach: „Es freut mich Euch kennenzulernen, Elfenmaid Narîssa. Ihr dürft mich Markûn nennen. Und nach dem Austausch dieser Formali-täten, würde ich Euch nun gerne entführen!“
Ein leises Kichern durchbricht die vollkommene Stille in der Galerie. Ich muss bei diesem Teil meiner Erinnerung immer kurz lachen – auch wenn es kein glückliches Lachen ist. Man kann vieles über Markûn sagen, doch er ist sicher nicht höflich. Alles, was er an diesem Tag tat, tat er ungefragt und ständig zog er mich an meiner Hand hinter sich her, wie es eine Mutter mit ihrem störrischen Kind zu tun pflegt. Doch ich wäre ihm auch aus freien Stücken gefolgt. Obwohl ich schon W ochen in dieser Stadt verbrachte, zeigte er mir Orte, die ich noch nie gesehen hatte, Pflanzen, die ich nicht kannte und eine Seite des Lebens, von der ich nie etwas ahnte. Plötzlich konnte ich die Schönheit in Din-gen erkennen, an denen ich vorher achtlos vorbeigeschritten war. Ich konnte lachen! Bis heute weiß ich nicht, wieso ich mich diesem Ethíel so vollkommen öffnen konnte, wie ich es vorher und auch danach nie wieder bei jemand anderem zu tun vermochte. Doch auch dieser Tag fand irgendwann sein Ende und Markûn beschloss, dass wir vor dem Versiegen des letzten Lichtes unseren gemeinsamen Moment auf Perga-ment bannen sollten. So bezahlte er einen Künstler, welcher uns por-traitierte …
Narîssa betrachtete den Künstler und seine Malutensilien. Alles wirkte stümperhaft. Das Pergament war eindeutig nicht für das Malen geeig -net, sondern höchstens für die Verfassung einer Botschaft adäquat. Außerdem war der Pinsel vollkommen ausgefranst, die Farben von minderer Qualität und wie man mit etwas anderem als Blut zu malen vermochte, verstand Narîssa sowieso nicht. Doch Markûn schien über-zeugt von dem Künstler und sie wollte ihm den Spaß nicht verderben. Immerhin hatte sie jede ihrer heutigen Aktivitäten genossen. Und so entschied sie mit Markûn Modell zu stehen. Fieberhaft widmete sich der Künstler dem Portrait und Narîssa zeigte voller Stolz ihr neu gewonnenes Lächeln. Der Künstler endete schon nach kurzer Zeit in seinem Tun und entsprechend war auch das Ergebnis seiner Kunst nicht von der Qualität, die Narîssa von ihren eignen Werken gewohnt war. Und dennoch, für sie war es perfekt, denn es zeigte sie und Mar-kûn und vor allem ihr Lächeln. Strahlend sah sie Markûn an. Das Bild in Händen.
Genauso stehe ich auch jetzt. Das Bild in meinen Händen und doch ist der Moment ein gänzlich anderer. Es ist, als wäre dieser Moment eine verzerrte grausame Maske jenes glücklichen Augenblickes meiner Ver -gangenheit, nur dazu geschaffen, um mich zu quälen und die klaffenden Wunden erneut aufzureißen. Doch damals war dieser Augenblick ein Moment des Glücks und damit des Lebens. Dieser ganze Tag war vollkommen und trotz der Seelenqualen, möchte ich keine Sekunde davon missen. Ob es auch ein Moment der Liebe war, vermag ich nicht zu sagen. Wahrscheinlich nicht. Hatte es doch keinen Kuss, keine ver-stohlenen Berührungen und keine versteckten Absichten gegeben.
Doch es war ein perfekter Moment. Vierundzwanzig Stunden des Glücks. Der einzige Tag meines Lebens. Was nach diesem Moment kam?
Der Schmerz und die Trauer kamen wieder. War ich doch naiv zu glauben, dass sie mich loslassen würden. Meine Häscher, die mich schon seit
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