WELTENTOR 2013 - Fantasy (German Edition)
krächzte er und hielt Sly einen Beutel hin. „Bring es in Sicherheit. Bitte.“
„ Ich werde erst mal dich wegbringen!“, bestimmte Sly und versuchte, den Mann mit sich zu ziehen.
„ Nein“, die Stimme des Verletzten war kaum noch zu hören. „Ich kann nicht mehr.“ Er hustete Blut.
Erst jetzt nahm Sly die tiefe Wunde auf dem Rücken des Gejagten wahr.
„ Sie dürfen das hier nicht in die Hände kriegen.“ Mit letzter Kraft drückte der Mann Sly den Beutel gegen die Brust.
Sly griff danach.
Der Mann ließ los und lächelte.“Lauf“, flüsterte er. Dann brach er zusammen und blieb regungslos am Boden liegen.
Sly starrte den leblo sen Körper an. Erst der Befehl Seht dort drüben nach! riss ihn aus seinem tranceartigen Zustand. Ohne weiter darüber nach-zudenken rannte er los, weg von der Feuerwand und den Verfolgern in die Dunkelheit.
Als er einen nahegelegenen Wald erreichte, verlangsamte er sein Tem -po. Abseits von den eigentlichen Wegen suchte er Schutz und fand zwischen ein paar Sträuchern einen Baumstamm, auf dem er sich nie-derlassen konnte. Er war völlig außer Atem und zitterte am ganzen Körper. So hatte er sich das Ende seines Tages nicht vorgestellt. Er brauchte einen Moment, um sich zu beruhigen.
Das fahle Mondlicht lenkte seine Aufmerksamkeit schließlich wieder auf den Beutel, den er von dem Mann erhalten hatte. Stickereien unter -schieden das Stück Stoff von den gewöhnlichen Beuteln, die die Samm-ler zur Ernte mit sich trugen. Sly öffnete ihn vorsichtig und blickte hinein. Darin war ein Blütenkopf. Wütend warf er den Beutel in den Dreck. Er raufte sich die Haare, schüttelte verständnislos den Kopf und begann dann damit, die Blätter vor dem Baumstamm beiseite zu fegen und eine kleine Kuhle für ein Feuer zu buddeln.
Gerade als er sich zum Schlafen und Vergessen hinlegen wollte, hörte er, wie sich jemand durch die Büsche schlug. Er nahm eine Kampf -position ein, lockerte seinen Stand aber wieder als er erkannte, wer da auf ihn zukam.
„ Weißt du, dass dich durch das Feuer jeder finden kann?“, lautete die Begrüßung von der jungen Frau, der Sly zuvor im Feld begegnet war. „Ist mir egal“, gab er patzig zurück und wandte sich wieder seinem Schlaflager zu.
„ O.k.“, sagte die Frau. Ihr Blick fiel auf den Beutel. Sie kniff die Augen zusammen und setzte sich auf den Baumstamm. „Schrecklich, was da passiert ist, oder?“
Sly reagierte nicht.
„Du weißt gar nicht genau, was da geschehen ist, richtig?“, schluss-folgerte sie. „Wer der Mann war, der dir den Beutel gegeben hat und wozu der Inhalt gut ist?“
„ Kannst du dich nicht um deinen eigenen Kram kümmern?“, meckerte er.
Sie ignorierte seinen Einwurf. “Jedes Jahr gibt es auf den ganzen Fel-dern eine Blüte, die dreizehn Feuerfunken in sich trägt. Die einzige Knospe, die von ihrer Hecke entfernt werden darf ohne, dass sie sich selbst dadurch zerstört. Der Mann, dem du begegnet bist, war ein Wächter. Seine Aufgabe war es, die Blüte zum Sonnentempel zu brin-gen, damit sie dort im ewigen Garten gepflanzt werden und ihre Diens-te tun kann.“
Die Erzählung schien Sly nicht zu beeindrucken.
„Verstehst du denn nicht, dass es nun an dir ist, sein Werk zu vollen-den?!“, rief die junge Frau laut.
„ Nein“, sagte Sly. Er legte sich hin. „Wenn dir das alles so wichtig ist, dann hol du dir den Beutel doch und verschwinde.“
„ Das geht nicht ... Die Kerne lassen sich von mir nicht berühren ...“
„ Freche, kleine Biester“, spottete Sly und drehte sich auf die Seite. „Dann bleiben sie eben dort liegen ...“
Die Frau lief vor ihm auf und ab. „Das kannst du nicht tun ... Es ist das Jahr des Sonnenfeuers, also müssen die Kerne zum Sonnentempel ...“
Sie begann ein Vortrag über die alte Tradition, die von den Wächtern verlangte, die Kerne im jährlichen Wechsel zum Tempel des Mondes oder der Sonne zu tragen und dem Zweck diente, das Gleichgewicht zwischen Licht und Schatten in dem Land zu wahren. Sie berichtete auch davon, dass es in der Geschichte viele böse Personen gegeben hatte, die die dreizehn Kerne in ihren Besitz hatten bringen wollen, weil sie in ihnen eine Kraft vermuteten, die sie zu einer Gottheit erheben konnte. Bisher waren solche Pläne zum Glück stets vereitelt worden. Noch nie hatte es allerdings einen Wächter gegeben, der sich seiner Aufgabe verweigerte.
„Willst du wirklich riskieren, dass das Leben, wie wir es kennen, auf-hört?“, fragte die
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