WELTENTOR 2013 - Fantasy (German Edition)
Einzelleistung unmöglich wurde.
„Das dürfte euch mehr als eine Weile beschäftigen“, sagte Sly zufrie-den. Er hob den Wächterbeutel wieder auf und sammelte sein restliches Hab und Gut ein.
„ Das wirst du bereuen“, zischte der Lord, als Sly an ihm vorbeilief.
„ Kann sein“, entgegnete Sly. „Aber du hast mit der Wahl deiner Unter-wäsche heute definitiv den größeren Fehler gemacht ...“
„ Du verdammter Gossen...“
Bevor Blackworth die Beschimpfung zu Ende bringen konnte, stopfte die junge Frau ihm ihren Schal zwischen die Zähne.
„Selbst schuld“, sagte sie knapp. Dann verließ sie zusammen mit Sly den Unterschlupf hinter den Büschen.
„ Wo lang jetzt?“, fragte der Erntehelfer, als sie wieder auf einem Wald-weg standen. Die junge Frau gab mit einem Fingerzeig die Richtung vor. Schweigend liefen sie nebeneinander durch die Nacht.
„ Ich heiße übrigens Tiara“, sagte sie irgendwann.
Sly nickte. „Hört sich schön an.“
Sie lächelte und fuhr fort. „Ich hab mich noch gar nicht bei dir be-dankt ...“
„ Das ist auch nicht nötig“, warf er ein. „Dankbarkeit verunsichert mich nur.“
Die Antwort überraschte Tiara, aber sie respektierte seinen Wunsch. „Du solltest aber noch wissen, dass du die richtige Entscheidung ge-troffen hast ... Auch für dich ...“
„ Warum?“, fragte Sly.
Tiara erklärte ihm, dass die Legende um die Kerne nur zwei Möglich -keiten vorsah, wie ein Mensch zum neuen Wächter werden konnte. Die eine setzte auf die Weitergabe an blutsverwandte Personen, was einen Wächter in den Genuss des Ruhestandes kommen ließ und deshalb bevorzugt wurde. Die andere war weitaus weniger erstrebenswert, denn sie kam nur zum Einsatz, wenn der Vorgänger zu sterben drohte und die Aufgabe vor dem Hintergrund an jemanden weitergab.
„ Und da ich vermute, dass du dir nicht mit dem Lord einen Stamm-baum teilst ... Hätte er deinem Leben wohl ein Ende gesetzt, sobald er die Kerne in den Händen gehalten hätte ...“
Sly kratzte sich am Kopf. „Wer denkt sich solche Regeln eigentlich immer aus?“
Die Körpersprache seiner Begleiterin deutete den Drang an, eine Ant -wort zu geben. Doch sie schloss ihren Mund wieder, nahm den Finger runter und zuckte nur mit den Schultern. „Na, jedenfalls verdient der Job wirklich die Bezeichnung Lebensaufgabe ...“, meinte Sly trocken.
Dazu hatte Tiara wiederum eine Menge zu sagen und so bekam Sly einen ganzen Vortrag über die Vorteile des Wächterlebens zu hören.
Gerade, als sie mit den Bereichen Ehre und Ansehen fertig war und zu den Themen Unterkunft und Verpflegung kommen wollte, hob Sly die Hand. „Hast du das gehört?“
Sie lauschte. Die Dunkelheit im Wald wurde von vielen Geräuschen untermalt. Deshalb war ihre Frage : „Was genau meinst du?“ absolut be-rechtigt.
„ Die Melodie“, sagte Sly, während er sich orientierungslos umsah.
„ Hörst du sie denn nicht? Sie wird doch auch immer lauter ...“
Tiara schüttelte den Kopf. „Nein. Aber ich weiß, was vor sich geht ... In der Legende heißt es, dass die Blüte anfängt für ihren Wächter zu singen, wenn es Zeit für die Ernte ist ...“
„ Das soll Gesang sein?! Klingt eher nach mehreren Musikern, die gleichzeitig unterschiedliche Lieder spielen ...“
Sly wackelte mit seinem Kopf wie jemand, der versucht, Wasser aus seinem Ohr zu bekommen.
„ Was muss ich also tun, um den Krach wieder loszuwerden?“, schrie er.
Die Antwort der jungen Frau verstand er schon gar nicht mehr und zum Lippenlesen fehlte ihm wegen dem Konzert in seinem Kopf die Konzentration. Irgendwann packte Tiara ihn am Arm und zog ihn mit sich zu einer verlassenen Hütte. Sie setzte ihn auf die Bank vor dem Haus, zog seine Pinzette hervor und stellte pantomimisch da r, dass er die Samen aus der Blüte zu holen hatte. Er hob den Daumen. Als er den Beutel öffnete, atmete Tiara erleichtert aus und ging in das Haus, um etwas zu essen zu suchen.
Mit jedem Kern, den Sly herausholte, verlor die musikalische Veran -staltung in seinem Gehörgang an Lautstärke und schließlich blieben ihm nur noch die Laute der Nacht. Er lehnte sich erleichtert zurück. Als er sich wieder vorbeugte, sah er, dass er einen der Kerne ver-sehentlich neben den Beutel gelegt hatte. Allerdings konnte Sly nicht einfach danach greifen, der Samen stand bereits unter der aufmerk-samen Beobachtung eines Adlers, der auf dem Tisch saß.
„ Oh nein, bitte. Tu das nicht“, murmelte Sly. Langsam streckte er die
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