Weltkrieg der Waehrungen
nach den Sternen zu greifen, zur Nummer eins aufzuschlieÃen, in nicht allzu ferner Zukunft den Platz der Amerikaner einzunehmen.
Natürlich ist die Frage, wie lange China diese ökonomische Dynamik aufrechterhalten kann. Manche Volkswirte gehen davon aus, dass der Wachstumstrend schon bald abflachen wird. Zum einen lasse sich die Ausbeutung an Mensch und Natur nicht unbegrenzt fortsetzen. Zum anderen ziehen die Löhne im Reich der Mitte so schnell an, dass China einen Teil seines Wettbewerbsvorteils einbüÃt. Doch weder die Umweltzerstörung noch die LohnÂÂentwicklung müssen das Modell China zum Kentern bringen. Das Nachbarland Japan hat in der Nachkriegszeit sehr eindrucksvoll gezeigt, dass steigende Einkommen für eine Volkswirtschaft so lange kein Problem sind, wie die Wertschöpfung mit den Löhnen wächst. Die europäischen Industriestaaten wiederum haben bewiesen, dass die Umweltzerstörung zum Teil wieder rückgängig zu machen ist, und dass Umwelttechnik sogar zu einer Wachstumsbranche avancieren kann. Schon heute sind zahlreiche Hersteller von Solartechnik im Reich der Mitte angesiedelt und beliefern von dort aus erfolgreich den Weltmarkt. Die amerikanische Investmentbank Goldman Sachs hat ausgerechnet, dass China die Vereinigten Staaten bereits etwa Mitte des nächsten Jahrzehnts als weltgröÃte Ãkonomie abgelöst haben wird. Der US-Ãkonom Robert Fogel geht sogar noch weiter: Er prognostiziert, dass das Jahr 2040 China als die alles beherrschende Volkswirtschaft auf dem Planeten sehen wird. Unglaubliche 123 Billionen Dollar soll die chinesische Ãkonomie dann erwirtschaften, fast neunmal so viel wie die amerikanische und dreimal so viel wie alle Staaten heute zusammen. Behält Fogel mit seinen Vorhersagen recht, wird Amerika dann der Juniorpartner der Volksrepublik sein, während Europa im wirtschaftlichen Vergleich mit dem Reich der Mitte wie ein Zwerg anmutet. Nach seinen Kalkulationen wird der durchschnittliche Chinese mit einem Pro-Kopf-Einkommen von 85 000 Dollar doppelt so reich sein wie der durchschnittliche Europäer. 32
Währung als Waffe
Die atemberaubende Dynamik der chinesischen Volkswirtschaft würde unter normalen Bedingungen eine beträchtliche Aufwertung der Landeswährung Yuan nach sich ziehen. Devisenmärkte honorieren starkes Wachstum ebenso mit steigenden Notierungen, wie sie eine anämische Wirtschaft mit sinkenden bestrafen. Auch die D-Mark erlebte zur Zeit des Wirtschaftswunders und darüber hinaus eine Reihe von Aufwertungen, was den heimischen Exporteuren einiges an Anpassungen abverlangte. In den Fünfzigerjahren mussten für einen Dollar noch 4,20 D-Mark gezahlt werden, vierzig Jahre später zeitweise nur noch 1,50 D-Mark. Das entsprach einer Verteuerung der Mark um mehr als den Faktor zweieinhalb. Allein zwischen 1960 und 1978 wertete die Mark zum Dollar um fast 60 Prozentauf. 33
Noch ausgeprägter war die Aufwärtstendenz des deutschen Zahlungsmittels zum Pfund. Während die »Deutschmark« wegen der hohen Wachstumsraten (und der konsequenten Antiinflationspolitik der Bundesbank) gefragt war, litt die ehemalige Weltleitwährung unter den ökonomischen Strukturschwächen GroÃbritanniens. Statt 11,70 D-Mark wie 1953 wurden Mitte der Neunzigerjahre an den Devisenmärkten nur noch knapp drei Mark für die britische Währung verlangt. Auf diese Weise bestraften die Devisenmärkte die als »englische Krankheit« bekannt gewordene sklerotische Wirtschaftsentwicklung auf der Insel.
So gut die Aufwertung der Mark für das Preisniveau im Inland war â für den AuÃenhandel brachte sie Erschwernisse: In der Zeit von 1949 bis 1990 verteuerten sich Produkte »made in Germany« im Verhältnis zu Produkten »made in UK« um beinahe das Vierfache. Nur groÃe Produktivitätsfortschritte in der Bundesrepublik verhinderten eine langsame Unterminierung der deutschen Wettbewerbsposition.
China geht bisher einen anderen Weg als Deutschland. Obwohl sich kaum eine mehr vor Wachstum vibrierende Ãkonomie denken lässt als die Volksrepublik, spiegeln die Wechselkurse das bisher kaum wider. Der Yuan hat bei Weitem nicht so stark aufgewertet, wie es von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gerechtfertigt wäre. Es ist keine »Marktineffizienz«, kein Versagen der Gesetze von Angebot und Nachfrage, die den Yuan so billig halten, sondern das gezielte
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