Weltkrieg der Waehrungen
Wende«, die etwa zur gleichen Zeit Deutschland erregte, in nichts nachstand. Statt populärer, aber kostspieliger Wohltaten setzte Mitterand jetzt auf die Politik der »Rigueur« (Strenge). Vater dieser neuen Politik war Jacques Delors, der als Wirtschafts- und Finanzminister für einen pragmatischen Kurs stand. Der unkonventionelle Sozialist wurde Mitterands Mann fürs Grobe. Statt für Ideologie stand er für Effizienz. Und für neue Stärke. Sein Durchbruch sollte für die weitere Geschichte Europas von gröÃter Wichtigkeit sein. Delors ist der vermutlich einflussreichste französische Politiker des 20. Jahrhunderts, der nie Président de la République war.
Delors verordnete Frankreich auch geldpolitisch eine neue Linie: Fortan bildete ein starker Franc, ein »Franc fort«, das Ideal. Vorbei sein sollten die Zeiten, da sich Frankreich über häufige Währungsabwertungen seine Wettbewerbsposition gegenüber den effizienten Deutschen sichern musste. Delorsâ folgenreicher Umschwung war auch deshalb möglich, weil die französische Wirtschaft in den Achtzigerjahren bei Weitem nicht mehr so »lahm« oder »ländlich« war wie noch eine Generation zuvor. In den Sechziger- und Siebzigerjahren hatte Frankreich einen enormen Modernisierungsschub erlebt. Dieses Vermächtnis de Gaulles zahlte sich nun aus, auch indem es einen starken Franc ermöglichte. Zum ersten Mal verfügte Kontinentaleuropa, verfügte die Europäische Gemeinschaft neben der D-Mark über eine zweite groÃe Hartwährung. Die Architektur des europäischen Währungsgefüges ruhte nun auf zwei Stützpfeilern, statt auf nur einem.
Nach nur drei Jahren wurde Delors Mitterand zu mächtig und unbequem. Der ewig misstrauische Präsident schasste den allzu talentierten Parteifreund. Die Linie des »Franc fort« führte Paris dennoch fort. Und auch Delorsâ Wirken war keineswegs beendet. Mitterand beförderte den Ehrgeizigen nach Brüssel, wo er 1985 Chef der Europäischen Kommission wurde. In der inoffiziellen EG-Hauptstadt entwickelte sich Delors zu einer Art Super-Eurokrat, der als Kommissionspräsident ein durchaus monarchisches Machtgehabe entwickelte. Schon bald würde Delors bei der Schaffung der europäischen Gemeinschaftswährung eine maÃgebliche Rolle spielen, die man je nach Standpunkt als die einer Hebamme, eines Vaters oder eines Kupplers beschreiben könnte.
Glücksgewinne
Das relativ reibungslose Funktionieren des EWS in dieser ersten Phase seiner Existenz ist gerade im Vergleich mit der Dauerkrise der Schlange frappierend. Leicht lieÃe sich daraus die teleologische Sichtweise ableiten, dass seit den Römischen Verträgen alles auf eine Einheitswährung der Europäer hingewirkt habe. Doch wie so oft in der Geschichte ist das Bild beim näheren Hinsehen nicht so eindeutig. Das EWS profitierte zwischen 1982 und 1992 von günstigen Umständen, die auÃerhalb des Einflussbereichs der Europäer lagen. Die Geldpolitiker der Alten Welt machten, um es in der Sprache der Börsianer zu sagen, »windfall profits«, Glücksgewinne.
Wie der amerikanische Denker Nassim Taleb herausgearbeitet hat, unterliegen Menschen häufig der Versuchung, solche Glücksgewinne auf eigene Leistungen und Entscheidungen zurückzuführen. 47 Als »Narren des Zufalls« bezogen viele Verantwortliche das Ãberleben des Währungssystems auf eine inhärente Verbesserung der europäischen Institutionen. Wenn das EWS in den zwei Jahrzehnten seines Bestehens anders als die »Schlange« nicht kollabierte, hatte aber auch Fortuna ihre Finger im Spiel.
In den Siebzigerjahren wurden die Bemühungen der Europäer, eine monetäre Union zu bilden, immer wieder durch existenzbedrohende Schocks von auÃen gestört: Kriege, Energiekrisen und internationale Handelskonflikte machten die Dekade zur ökonomisch unruhigsten Epoche der zweiten Jahrhunderthälfte. Es war gleichzeitig jenes Jahrzehnt, das den endgültigen Abschied vom Goldstandard und damit das bis dato gröÃte Experiment mit Papierwährungen überhaupt sah. Die konjunkturellen Schwankungen waren enorm, und auch die Inflationserwartungen entwickelten sich in groÃen Sprüngen. Auf einen Wechselkursverbund mit so unterschiedlichen Volkswirtschaften hatte das die Wirkung von Nitroglycerin.
Ganz anders das folgende Jahrzehnt: Nach der
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