Weltkrieg der Waehrungen
anfänglichen schweren Rezession und dem dramatischen Scheitern von Mitterands Versuch einer sozialistischen Staatswirtschaft erlebten die Achtziger einen deutlichen Rückgang der Volatilität. Vereinfacht gesagt: Wirtschaften wurde insgesamt weniger riskant, es mussten nur noch bescheidene Risikopuffer angelegt werden. Mit Blick auf die fallenden Teuerungsraten sprachen Ãkonomen von »Disinflation«. Der (vermeintliche) Sieg über die groÃen Wirtschaftszyklen erleichterte den Europäern die Abstimmung ihrer Wechselkurse erheblich.
Auch die globalen Tendenzen auf dem Devisenmarkt kamen dem EWS zugute. Waren die Siebzigerjahre von starken WerteinbuÃen des Dollar gekennzeichnet, der den Europäern einen merklichen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit bescherte, sahen die Achtziger die umgekehrte Tendenz: In der ersten Halbdekade stieg der Kurs des Greenback geradezu abenteuerlich an â ein Ergebnis der »Reaganomics«, jener Mischung aus Steuersenkungen und Deregulierungen, verbunden mit einem geradezu hollywoodesken Optimismus, für die der neue US-Präsident stand. Als die Dollar-Stärke mit dem Plaza-Abkommen von 1985 endete, nahm die Yen-Aufwertung Druck von den Europäern.
Gelungene Generalprobe â wirklich?
Auch das Europäische Wechselkurssystem würde sein Nahtoderlebnis haben: Im Jahr 1992 stellte es die Pfund-Krise auf eine existenzielle Probe. In dieser Zeit der Zweifel trösteten sich die Europapolitiker damit, dass das EWS in den 13 Jahren davor ein bemerkenswerter Erfolg gewesen sei, dass die Krise der frühen Neunzigerjahre mit einer einmaligen historischen Konstellation zusammenhänge. Diese Behauptung bedarf einer besonderen Ãberprüfung, denn ihr Gehalt an Wahrheit gibt wesentliche Hinweise auf die Ãberlebensfähigkeit des Euro. Es lohnt, unabhängig von den späteren dramatischen Ereignissen des Jahres 1992 einen Rückblick auf die Realitäten des 1979 gegründeten Wechselkursverbundes zu werfen, jenes Verbundes, der als direkter Vorläufer der europäischen Gemeinschaftswährung anzusehen ist.
Allen günstigen Faktoren zum Trotz kann von einer makellosen Gesamtbilanz des Europäischen Währungssystems nicht die Rede sein. Auch jenseits der Turbulenzen von 1992 waren im EWS zahlreiche Wechselkursanpassungen notwendig, die teilweise recht kräftig ausfielen: In der Regel bedeuteten diese Anpassungen eine Verbilligung der anderen Währungen zur Ankerwährung D-Mark: Zwischen dem ersten Halbjahr 1979 und Anfang 1990 wertete das deutsche Geld zum Belgischen (und Luxemburgischen) Franc um 29,6 Prozent, zur Dänischen Krone um 38 Prozent, zum Irischen Pfund um 41,2 Prozent, zum Französischen Franc um 46,9 Prozent, zur Italienischen Lira um 67,5 Prozent, zur Spanischen Peseta um 73,3 und zum Portugiesischen Escudo sogar um 231,1 Prozent auf. In dieser Zeitspanne wurde der Französische Franc sechs Mal, die Lira nicht weniger als neun Mal verbilligt. Insgesamt mussten die Wechselkursparitäten im EWS 15 Mal neu festgesetzt werden. 48
Auch wenn die Häufigkeit der notwendigen »Anpassungen« nach 1983 rückläufig war, blieben sie dennoch notwendig. Die gelegentlichen vorsichtigen Auf- und Abwertungen wirkten wie gutmütige kleine ErdstöÃe, die verhinderten, dass sich zwischen tektonischen Platten gefährliche Spannungen aufbauten, die sich eines Tages in einem katastrophalen groÃen Beben entladen würden.
Mit dem Europäischen Währungssystem hatten die Europäer einen Modus Vivendi gefunden: Das System war nicht perfekt, aber es war stabil genug, um den Exporteuren, die einen GroÃteil ihres Handels mit europäischen Partnerländern abwickelten, genügend Planungssicherheit zu geben. Gleichzeitig war es flexibel genug, um bei auseinanderstrebenden Konjunkturentwicklungen Kursanpassungen vorzunehmen. Dass solche Anpassungen immer wieder notwendig sein würden, daran konnte auch vor der Krise von 1992 kein Zweifel bestehen. Trotz der bemerkenswerten Errungenschaft des »Franc fort«, des starken Franc, war Ende der Achtzigerjahre kein zwingender Grund auszumachen, Europas Währungen noch enger aneinanderzuketten oder gar in Zement zu gieÃen.
Gleichwohl startete im Jahr 1988 der stets umtriebige Jacques Delors als Präsident der Europäischen Kommission eine neue Initiative, um eine gemeinsame europäische Währung auf den Weg zu bringen. Da Paris
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