Weltkrieg der Waehrungen
den Ecu. Die Franzosen durften und sollten das Gefühl haben, dass die Währung Europas ihre Sprache spricht.
Franc fort und Frankfurt
Europa hatte nun sein eigenes Bretton Woods, als dessen Ankerwährung die D-Mark fungierte. Nach anfänglichen Zweifeln schien das neue System zu funktionieren: Im Gegensatz zur »Schlange« kam es zu keiner Kaskade von Austritten. Damit besserten sich auch die Aussichten auf eine künftige Gemeinschaftswährung der Europäer. Der Schlüssel für den Erfolg des Europäischen Währungssystems lag in den Achtzigerjahren in Paris. Frankreich sagte in dem neuen Jahrzehnt adieu zu den Wonnen einer Weichwährung und schwenkte auf eine asketische Politik des harten Geldes um. Dieser Bruch mit französischen monetären Traditionen lieà die 1988 neu aufgestellten Pläne für eine Verschmelzung der europäischen Devisen zu einer Einheitswährung nicht mehr völlig illusorisch erscheinen.
Begonnen hatten die Achtzigerjahre zunächst aber ganz anders, nämlich ähnlich turbulent wie die Siebzigerjahre: In Frankreich ereignete sich etwas, das manch zeitgenössischer politischer Kommentator mit der groÃen Revolution von 1789 verglich: 1981 errang der Sozialist François Mitterand bei der Präsidentschaftswahl einen sensationellen Triumph. Er war das erste direkt gewählte sozialistische Staatsoberhaupt nicht nur Frankreichs, sondern ganz Europas. Mitterand, der seinen Sieg der Spaltung des bürgerlichen Lagers und einem Bündnis mit den Kommunisten verdankte, hatte ein wahrhaft revolutionäres Programm: Wirtschaftlich vollzog er einen radikalen Linksschwenk, wie es ihn in Europa seit der frühen Nachkriegszeit nicht mehr gegeben hatte. In einer Zeit, in der die angelsächsische Welt mit Ronald Reagan und Margaret Thatcher bereits den Weg der Ãffnung, der Deregulierung und der Privatisierung eingeschlagen hatte (Thatcher war seit 1979 im Amt, Reagan im Herbst 1980 gewählt worden), flirtete Frankreich mit den Lehren von Marx und Engels: Vier der neuen Minister Mitterands gehörten der Kommunistischen Partei an, das Kernprogramm der neuen Regierung sah unter anderem die Verstaatlichung von Schlüsselindustrien und Kreditinstituten vor. In ihrem ersten Jahr an der Regierung wurden nicht weniger als 38 Banken und fünf der bedeutendsten Industrieunternehmen Frankreichs »nationalisiert«. Frankreich, das diplomatische und politische Kraftzentrum der Europäischen Gemeinschaft, die zweitgröÃte Ãkonomie des Kontinents, schien auf dem Weg in eine sozialistische Volksrepublik.
Erwartungsgemäà reagierten die Finanzmärkte verschreckt auf das Gespenst des Sozialismus in einem westeuropäischen Land. Der Franc geriet stark unter Druck. Im Oktober 1981 wertete die französische Währung im EWS zur D-Mark um acht Prozent ab, schon acht Monate später (im Juni 1982) war eine »Anpassung« um weitere 9,6 Prozent erforderlich. Aber der Druck auf den Franc wollte nicht weichen. Der Verbleib Frankreichs im Europäischen Währungssystem stand auf der Kippe. Und nicht nur der Frankreichs: Würde die zweitgröÃte Wirtschaftsmacht auf dem Kontinent ausscheiden, so wäre der neue Wechselkurspakt vermutlich irreparabel beschädigt: Das EWS, auf dessen Konstruktion Giscard dâEstaing und Helmut Schmidt so viel Mühe verwendet hatten, stand vor dem Aus.
Der rapide Wertverfall des Franc und das drohende Ausscheiden aus dem EWS (und möglicherweise sogar der Europäischen Gemeinschaft) waren eine Folge des Versuchs, eine sozialistische Utopie auf französischem Boden zu verwirklichen: Um den Werktätigen ihren gerechten Anteil am Wohlstand zukommen zu lassen, hatte die Regierung die Notenpresse rotieren lassen, woraufhin die Inflation in die Höhe schoss. Die Furcht vor Enteignung lieà Wohlhabende ihr Vermögen ins Ausland schaffen â wovon die Banken in der Schweiz profitierten, die sich einmal mehr als sicherer Hafen anpreisen konnte. Die sich verstärkenden Effekte brachten die französische Wirtschaft in Nöte. Das Jahr 1982 war überall in der westlichen Welt ein Rezessionsjahr, aber in Frankreich fiel der Abschwung besonders heftig aus. Die Revolution kehrte sich, wie so oft, gegen ihre Väter.
Im Angesicht des sich klar abzeichnenden Scheiterns seiner Politik vollzog Mitterand Anfang 1983 eine radikale Kehrtwende, die der »geistig-moralischen
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