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Weltkrieg der Waehrungen

Weltkrieg der Waehrungen

Titel: Weltkrieg der Waehrungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel D. Eckert
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stabiles Geld als Leitmotiv für sich entdeckt hatte, waren diese französischen Überlegungen fundierter und aus Perspektive der Deutschen und nicht zuletzt der Bundesbank schwieriger zu kontern als die entsprechenden Vorschläge in den Jahren und Jahrzehnten zuvor. Dennoch deutete wenig darauf hin, dass die Deutschen auf absehbare Zeit freiwillig auf ihre geliebte D-Mark, die ihnen so ans Herz gewachsen war, verzichten würden. 49 Weder die Bevölkerung noch die politische Elite sah dafür die Zeit als reif an. Es bedurfte eines politischen Mirakels, um die Deutschen dazu zu bewegen, die Bundesbank auf dem Altar Europas zu opfern. Doch genau dieses Mirakel trat ein. Wie viele Jahrhundertereignisse kam es überraschend und begann an einem unwahrscheinlichen Ort: Die Rede ist von der Öffnung der innerdeutschen Grenze am Abend des 9. November 1989 auf der Bornholmer Brücke in Berlin.
Wiedervereinigung und Währungsvereinigung
Der Mann, der ein Land einte und eine Währung zu Grabe trug
    Die Nachkriegsordnung des Kalten Krieges, so prekär sie sich wegen der latenten Gefahr einer atomaren Ost-West-Konfrontation gestaltete, war den Großmächten insgesamt recht angenehm gewesen: Durch die Teilung der deutschsprachigen Mitte des Kontinents in zwei Staaten und deren feste Einbindung in Bündnissysteme schien die Gefahr eines germanischen Revanchismus ein für allemal beseitigt. Niemand in der politischen Elite der Bonner Republik konnte daran zweifeln, dass die Rückkehr des deutschen Nationalstaats als politischer Akteur, und sei er auch aus einer friedlichen Revolution hervorgegangen, vielerorts auf dem Kontinent alte und neue Ängste heraufbeschwören würde. Ob die Deutschen das nun wollten oder nicht – Wirtschaftskraft und Bevölkerungszahl machten ihre Nation zu einer natürlichen Aspirantin auf eine europäische Vormacht. Im internationalen Maßstab des späten 20. Jahrhunderts war die neu entstehende Berliner Republik kein Riese, sondern allenfalls ein Riesenzwerg. Deutschland gab, mit den Worten des Historikers Paul Kennedy, einen Halbhegemon ab. Doch den übrigen Mittel- und Kleinmächten Europas erschien dieser Gulliver allemal so riesig und potenziell gefährlich, dass man ihn binden musste. Die Frage war nicht, ob die Wiedervereinigung einen Preis hatte, sondern welchen, und wie dieser Preis zu begleichen sein würde.
    An dieser Stelle der Geschichte kommt die Person Helmut Kohl ins Spiel. Ob es die Einheit unter einem anderen Bundeskanzler so schnell gegeben hätte, darüber kann man viel spekulieren. Unwahrscheinlich ist jedoch, dass es unter einem anderen Kanzler so schnell zur europäischen Gemeinschaftswährung gekommen wäre. Dazu brauchte es schon den Vollbluteuropäer, der seine politische Mission nach der Vollendung der deutschen Einheit darin fand, auch Europa politisch zu einen. Spötter mögen hinzufügen: Und der gleichzeitig so wenig wirtschaftlichen Sachverstand mitbrachte.
    In der Zeit nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wurde viel von der Europarhetorik des Kanzlers als kalkulierte Beschwichtigung der »Siegermächte« verstanden, doch der Kontrast zu beiden Amtsnachfolgern verdeutlicht, wie sehr auch authentische Leidenschaft für die europäische Idee und für die europäische Integration im Spiel war. Als »Enkel« Konrad Adenauers strebte Kohl danach, den europäischen Einigungsprozess fortzusetzen. Und als Adenauer-»Enkel« und Historiker wusste er, welche Bedeutung der Aussöhnung mit Frankreich zukam, wollte man dieses Ziel erreichen.
    Dass für die Einheit ein Preis zu entrichten sein würde, ergab sich nach Kohls Auffassung aus der Logik der jüngeren europäischen Geschichte. Zum Preis der Einheit gehörte ein endgültiger Verzicht auf die früheren Ostgebiete des Deutschen Reiches. (Immerhin war Kohl Taktiker genug, die Klärung dieser heiklen Frage als Verhandlungsmasse in die Zwei-plus-vier-Gespräche zur deutschen Wiedervereinigung einzubringen.) Zum Preis der Einheit gehörten auch die 71 Milliarden Dollar Transferzahlungen an die Sowjetunion und später Russland, ergänzt durch weitere 36 Milliarden Dollar an die ehemals kommunistischen Staaten Osteuropas. Zum Preis der Einheit gehörte auch Deutschlands Absage an eine eigenständige Bündnispolitik oder gar eine nukleare Bewaffnung. Die Frage ist, ob dazu auch die Aufgabe der D-Mark

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