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Weltkrieg der Waehrungen

Weltkrieg der Waehrungen

Titel: Weltkrieg der Waehrungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel D. Eckert
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gehören musste.
    Mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik wuchs der Druck auf die Deutschen, ihre Währung zu europäisieren. Die Frage war nicht, ob Kohl den Nachbarn für die Wiedervereinigung Konzessionen machen musste, die Frage war, ob er diese Konzession machen musste. Die aktive Rolle, die der Kanzler bei der Abschaffung der Mark spielte, ist in der Tat auffällig. Nicht nur, dass die deutsche Regierung in den Neunzigerjahren zum Motor einer Währungsunion wurde, die von einer klaren Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt wurde – in einer Meinungsumfrage des ZDF-Politbarometers vom Herbst 1992 sprachen sich 70 Prozent der Bundesbürger gegen die Abschaffung der Mark aus. 50 Darüber hinaus trieb sie auch eine Politik voran, die die Souveränität des Landes in einem entscheidenden Punkt einschränkte. Als Erklärung wurde vielfach Kohls historische Mission herangezogen, nach der deutschen Einheit die Vereinigung Europas anzugehen. Dennoch wirft das fast schon verbissene Engagement des deutschen Regierungschefs bis heute Fragen auf. Die Motivlage bleibt unübersichtlich. Gab es womöglich auch innenpolitische Erwägungen, die für eine schnelle Auflösung der Währungsautonomie sprachen?
Schlag gegen die Bundesbank
    Wieder führt der Weg zu einer Antwort über die Persönlichkeit Helmut Kohls. Der Kanzler war vieles: Sozialpolitiker, Europapolitiker, Außenpolitiker, aber eines war er nicht: Wirtschafts- und Finanzfachmann. Das zeigte sich bei der Vorbereitung der deutschen Währungseinheit, die der staatlichen Einheit Deutschlands um drei Monate voranging. Bei der Festsetzung des Umtauschverhältnisses war der Kanzler, der als Einiger des Vaterlandes die Rolle seines Lebens gefunden hatte, über den Rat von Bundesbank-Chef Karl-Otto Pöhl und zahlreicher Wirtschaftswissenschaftler hinweggeprescht. Die Experten hatten zu einem Kurs geraten, der näher an dem realen Wert des ostdeutschen Geldes lag, nämlich bei mehr als sieben DDR-Mark für eine D-Mark. Kohl indes gab einer weitaus teureren Parität den Vorzug, mit der Begründung, dass die sonst einsetzende Flucht von Ost nach West die neuen Bundesländer destabilisieren würde.
    Privatleute konnten das Gros ihres Geldvermögens eins zu eins umtauschen: Kinder unter 14 Jahren maximal 2000 Mark, Erwachsene bis 59 Jahre maximal 4000 Mark und Über-59-Jährige maximal 6000 Mark. 51 Darüber hinaus wurden zwei DDR-Mark in eine D-Mark umgerechnet. Im Durchschnitt ergab sich daraus eine Parität von 1,80 Mark Ost zu einer Mark West, weit über der Kaufkraft des alten sozialistischen Geldes. Infolge der 1,8-zu-1-Umstellung verteuerte sich die Produktion in den neuen Ländern um das Drei- bis Vierfache. Natürlich konnte die Produktivität nicht im gleichen Maße gesteigert werden, und so sackte die Konkurrenzfähigkeit der ostdeutschen Betriebe ab. Indem die neuen Länder den Standortkampf an Staaten östlich von Oder und Neiße oder an die Schwellenländer in Asien und Lateinamerika verloren, brach die industrielle Basis der Ex-DDR weg. Die von Kohl im Einheitswahlkampf in Aussicht gestellten blühenden Landschaften im Osten wurden unter anderem deshalb keine Realität, weil der Kanzler der Einheit den allzu komfortablen Wechselkurs zur D-Mark durchgedrückt hatte.
    Widerspruch war nicht das, was Helmut Kohl schätzte. Im Jahr 1990 muss den Kanzler, der sich auf dem Zenit seiner politischen Karriere befand, die Opposition gegen den Umstellungskurs aus den Reihen der Bundesbank außerordentlich verdrossen haben. Noch Jahre später war das Klima zwischen ihm und dem obersten deutschen Währungshüter Karl-Otto Pöhl vergiftet. Der Riss ging so tief, dass Pöhl 1991 von seinem Posten zurücktrat – offiziell hieß es, aus persönlichen Gründen, ausschlaggebend dürfte jedoch der präzedenzlose Streit zwischen Kanzleramt und Bundesbank gewesen sein. So liegt zumindest der Verdacht nahe, dass Kohl mit der Euro-Einführung auch die widerspenstigen Währungshüter disziplinieren wollte. Infolge des Maastricht-Vertrags würde die Frankfurter Institution schon bald nur noch eine Außenstelle der neu zu schaffenden Europäischen Zentralbank sein. Von der Bundesbank waren fortan keine ernsthaften Widerworte mehr zu erwarten.
Pariser Währungsneid
    Dennoch: Der Hauptanstoß zur Beseitigung der deutschen Währungsautonomie

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