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Weltkrieg der Waehrungen

Weltkrieg der Waehrungen

Titel: Weltkrieg der Waehrungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel D. Eckert
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Mitgliedschaft im Wechselkursverbund bedeutete, dass das Auf und Ab der französischen Wirtschaft durch eine Institution mitbestimmt wurde, bei deren Entscheidungen Paris kein Mitspracherecht hatte. Selbst über internationale Verträge schien der autonomen Bundesbank nicht beizukommen zu sein. So bestand das vielleicht größte Hindernis für die Verwirklichung des Werner-Plans in der mangelnden Bereitschaft Frankreichs und anderer Staaten der Europäischen Gemeinschaft, die Deutsche Mark als Leitwährung zu akzeptieren.
    Besonders zu schaffen machte den Franzosen die Gefahr einer allzu deutlichen Aufwertung des Franc im Schlepptau der D-Mark. Im Laufe der Siebzigerjahre verteuerte sich die bundesrepublikanische Währung zur Leitwährung Dollar beträchtlich. Mussten zu Beginn des Jahrzehnts noch knapp 3,70 D-Mark für den Dollar gezahlt werden, waren es 1979 nur noch 1,60 D-Mark. Mochte die Anti-Inflationspolitik der Bundesbank den Deutschen den Stolz und die Bürde einer harten Währung bescheren: La Grande Nation bevorzugte im Zweifel einen weichen Franc, der seinen Exporteuren das Agieren auf den Weltmärkten nicht unnötig erschwerte. Dahinter stand viel Völkerpsychologie: Die Franzosen brauchten für ihr nationales Selbstverständnis keine harte Währung. Für die Siegernation des Zweiten Weltkriegs war die Force de Frappe, die französische Atomstreitmacht, ein Kernstück seiner Identität. Charles de Gaulle hatte der von ihm gegründeten Fünften Republik quasi als Vermächtnis ein defensives nukleares Arsenal hinterlassen. Deutschland besaß eine andere Verteidigungswaffe, die ein Erbe seiner Geschichte darstellte: die Bundesbank. Sie war das Bollwerk, mit dem das Land eine Wiederkehr der inflationären Zerrüttung unterbinden wollte.
    Aus gesamteuropäischer Sicht wäre es ideal gewesen, diese beiden Machtinstrumente zum Vorteil des Kontinents zusammenzuführen. Nicht zuletzt wegen der allgegenwärtigen sowjetischen Bedrohung im Osten waren Deutschland und Frankreich zu einer Art Erbfreundschaft verdammt. Anfang der Siebzigerjahre aber sah es eher so aus, als würden die weltpolitischen und weltwirtschaftlichen Stürme die beiden ungleichen Mächte voneinander wegtreiben. Dass es dennoch anders kam, hatte mit zwei unvorhersehbaren Ereignissen zu tun: dem überraschenden Tod eines Präsidenten und der Enttarnung eines Meisterspions.
Der Wehrmachtsoffizier und der Résistance-Kämpfer
    Der 2. April 1974 war für Frankreich ein Tag der Trauer: Die Radiogeräte und Fernseher vermeldeten den überraschenden Tod ihres Staatsoberhaupts George Pompidou. Der Nachfolger de Gaulles hatte an Morbus Waldenström, einer seltenen Lymphdrüsenerkrankung, gelitten. Lange Zeit war das tödliche Leiden geheim gehalten worden, selbst ranghohe Regierungsvertreter erfuhren erst kurze Zeit vor dem Ableben des Gaullisten von dessen Zustand. Sechs Wochen nach dem Tod des spröden Pompidou wurde der vornehme Valéry Giscard d’Estaing zum neuen Präsidenten der Französischen Republik gewählt. Auf einen Politiker, der mit den Deutschen wenig anzufangen wusste und vorwiegend in Kategorien gaullistischer Grandeur dachte, folgte ein Staatsmann, der dem östlichen Nachbarn gegenüber eine offenere Haltung einnahm. Vor allem zog mit Giscard d’Estaing ein Mann mit prinzipiell proeuropäischer Ausrichtung in den Elysée-Palast ein.
    Doch der Politikwechsel in Frankreich hätte wohl kaum den gleichen Effekt gehabt, wenn nicht auch die Bundesrepublik Deutschland fast zur selben Zeit einen neuen Regierungschef bekommen hätte, und das ebenso unerwartet. Am 24. April 1974 nahm die Polizei in der Bundeshauptstadt Bonn einen Agenten des ostdeutschen Ministeriums für Staatssicherheit fest. Was zu diesem Zeitpunkt noch niemand ahnen konnte: Sie hatten einen Meisterspion an der Angel. Der Festgenommene trug den Namen Günter Guillaume und war nicht irgendwer, sondern ein enger Vertrauter von Bundeskanzler Willy Brandt. Als persönlicher Referent des Kanzlers, eine Art Mädchen für alles, hatte Guillaume seit Jahren Einblick in geheime Dokumente und das durchaus schillernde Privatleben des Regierungschefs. Nachdem er den Fall Guillaume anfänglich unterschätzt, verdrängt und als irrelevant abgetan hatte, stürzte Brandt schließlich über die Affäre. Der erste sozialdemokratische Kanzler der

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