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Weltkrieg der Waehrungen

Weltkrieg der Waehrungen

Titel: Weltkrieg der Waehrungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel D. Eckert
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Auftrag, das Wertverhältnis zwischen Gold und Silber neu zu bestimmen. Der Physiker rechnete und legte schließlich fest, dass eine goldene Guinea-Münze exakt 21 silbernen Shilling entsprach und genau zu diesem Kurs zu wechseln sei. 9 Damit hatte er den Preis des Goldes im Verhältnis zum Silber jedoch als viel zu hoch angesetzt. Als Folge von Newtons Fehlkalkulation verschwanden im England des 18. Jahrhunderts langsam alle »unterbewerteten« Silbermünzen aus dem Verkehr. Sie wurden weggelegt und gehortet, vielleicht für den Tag, da die Regierung das richtige Wertverhältnis wiederherstellen würde, oder sie wurden schlicht eingeschmolzen. Gleichzeitig versuchte jedermann, die ebenfalls umlaufenden »überteuerten« Goldmünzen so schnell wie möglich weiterzugeben. Dazu verdammt, von niemandem geschätzt zu werden, blieben sie im Umlauf und dominierten ab Mitte des 18. Jahrhunderts entgegen früherem Usus das Geldsystem auf der Insel. Dieser Prozess, dass »schlechtes« Geld »gutes Geld« verdrängt, ist unter Fachleuten als »Gresham’sches« Gesetz bekannt. Das Ergebnis war, dass das Bimetallsystem von Gold und Silber in Großbritannien über die Jahre ungeplant zu einem von Goldmünzen dominierten Zahlungsverkehr evolvierte.
    Das Vermächtnis des newtonschen Fehlers wäre womöglich eine Fußnote der Geldgeschichte geblieben, hätte sich England nicht aus anderen Gründen zum Mutterland der Industrialisierung entwickelt. Durch seine industrielle Kapazität konnte jenes Land, das durch einen Rechenunfall in den Goldstandard hineingestolpert war, das größte Imperium aller Zeiten errichten. Indem sich das Britische Empire zur Herrin über die Meere und damit zur globalen Macht aufschwang, wurde London zu dem Finanz- und Handelszentrum schlechthin. Für andere Staaten, die sich ihren Anteil am internationalen Handel sichern wollten, lag es nun nahe, selbst zum Goldstandard überzugehen. Teilweise wurde Großbritanniens augenfällige Überlegenheit in einem logischen Zirkelschluss sogar auf dessen gelb glänzende Währung zurückgeführt. So verdankt das Gold seinen Nimbus teilweise dem Zufall.
    Die Goldwährung hatte keinen innewohnenden Vorteil gegenüber der Silberwährung. Aber wie 100 Jahre später beim Triumph des Dollar über das Pfund spielte im 19. Jahrhundert der Netzwerk-Effekt eine wichtige Rolle: Es hat einen hohen Reiz, sich an der Währung der größten und wichtigsten und am besten »vernetzten« Nation des globalen Systems zu orientieren. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war der Sieg des Goldes über das Silber als Währungsmetall indessen noch nicht absehbar. Am wenigsten vielleicht in Amerika. Denn gerade hier gab es gute Gründe, am Silber festzuhalten. Und als sich Washington schließlich doch für das goldene Metall entschied, forderte das einen hohen Preis. Der Kampf um das richtige Geld sollte das Land politisch fast zerreißen.
Netzwerk Britannia
    Im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts beherrschte Großbritannien unangefochten die Wellen und dank seiner Seehoheit einen Großteil des internationalen Handels. Das Reich von Queen Victoria war nicht nur die bedeutendste Kolonialmacht auf dem Planeten mit Besitzungen, die von den Falklandinseln bis nach Hongkong, von Neuseeland bis nach Neufundland reichten, sondern auch die fortschrittlichste Industrienation – weit vor dem kolonialen Konkurrenten Frankreich oder dem damals noch über weite Strecken provinziellen Deutschland. Die Vettern auf der anderen Seite des Atlantiks mochten erstaunliche ökonomische Fortschritte machen, waren einstweilen aber noch mit der Eroberung des eigenen Kontinents beschäftigt. Der Lebensstandard im Land von Queen Victoria war höher als anderswo und das Bankwesen besser organisiert. Dank eines für damalige Verhältnisse riesigen Anleihenmarkts war die City of London der finanzielle Nabel der Welt, und die 1694 gegründete Bank of England – damals noch eine private Organisation – genoss größten Respekt als Hüterin einer stabilen Währung. Zum Nimbus der britischen Finanzmacht trug bei, dass das Inselreich im 19. Jahrhundert sämtliche in den Napoleonischen Kriegen aufgehäufte Schulden ordnungsgemäß zurückzahlte.
    All dies waren Gründe dafür, dass andere Nationen England und den englischen Goldstandard als Blaupause für

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