Weltkrieg der Waehrungen
Staatspleiten erlebt. Doch das waren auÃereuropäische Länder, Emerging Markets. Westeuropa hatte in den Siebzigerjahren zum letzten Mal Regierungen in Finanznöten gesehen. Und seither, so die allgemeine Auffassung, hatten Finanzpolitiker einen langen Lernprozess hinter sich gebracht. Am Kapitalmarkt war das Märchen von der ultimativen Konvergenz Wirklichkeit geworden. Und für die Banken war dieses Konvergenzistan ein Schlaraffenland. Der Schönheitsfehler war nur, dass es ein Schlaraffenland auf Pump war â ein Schimäristan.
Beben in Konvergenzistan
Griechenland stand für eines der vielen Wirtschaftswunder am Rande Europas, es war eines der Märchen, die die Europäische Union schrieb. Ãhnlich wie Spanien, Portugal oder Irland hatte auch Griechenland gezeigt, dass die Mitgliedschaft im Klub der Europäer aus einem früheren Armenhaus des Kontinents in wenigen Jahrzehnten eine florierende Wirtschaftsnation machen konnte. Mitte des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts war dieses Märchen praktisch bis zum letzten Satz: »⦠und sie lebten glücklich und zufrieden â¦Â« erzählt. Doch enden Märchen normalerweise an dieser Stelle, während die griechische Geschichte weiterging.
Nach der Ãbernahme des Euro 2001 â Griechenland schloss sich der Währungsunion zwei Jahre später an als die übrigen Staaten â begann sich die realwirtschaftliche Annäherung in wichtigen Punkten zu verlangsamen oder auf gefährliche Weise ins Gegenteil zu verkehren. Erst schleichend, dann immer schneller schwand die Fähigkeit des Landes dahin, sich im weltwirtschaftlichen Umfeld zu behaupten.
Die Wettbewerbsfähigkeit einer Nation auf den weltweiten Märkten wird durch eine Vielzahl von Faktoren bestimmt. Die vielleicht wichtigsten sind der Wechselkurs und die Lohnkosten. Nachdem Griechenlands Produktivität in den vergangenen Dekaden beträchtliche Fortschritte gemacht hatte, fiel das Mittelmeerland im neuen Jahrhundert zurück. Die Produktivität wuchs weiterhin, aber sie wuchs weniger schnell als die Löhne. In früheren Zeiten hätten die Südländer diese Verschlechterung ihrer Konkurrenzfähigkeit durch eine Abwertung der Drachme ausgeglichen. Aber seit der Euro-Ãbernahme hatten sie kaum noch eine Handhabe für den Wechselkurs. Da sich die Hellenen ihre Konsumlaune dadurch nicht verderben lieÃen, wuchsen die Einfuhren beträchtlich über die Ausfuhren hinaus. Griechenland verzeichnete kontinuierlich Handelsdefizite, die ihrerseits durch Kapitalimporte ausgeglichen werden mussten. So begann der Ãgäis-Staat, sich immer mehr Geld im Ausland zu leihen.
Anfänglich wirkte das nicht weiter beunruhigend, denn durch die Mitgliedschaft in der Währungsunion konnte sich Athen an den Kapitalmärkten so günstig Geld besorgen wie noch nie. Der niedrige Eurolandzins schien die Griechen zum Schuldenmachen geradezu einzuladen. Umgekehrt waren deutsche und französische Kreditinstitute heilfroh, die viele Liquidität der fleiÃigen Sparer gewinnbringend verleihen zu können. Zusammen mit den nicht geringen Transferzahlungen aus dem Kohäsionsfonds dopte das billige Geld die hellenische Wirtschaft. In den Jahren nach der Euro-Einführung gehörte Griechenland trotz seiner schwindenden Wettbewerbsfähigkeit zu den am schnellsten wachsenden Ãkonomien des Kontinents. Investmentstrategen sprachen groÃspurig vom Wirtschaftswunder in der Ãgäis. Hellas wurde zum Brückenland zwischen Europa und der vielversprechenden Türkei stilisiert. An der Athener Börse vervierfachten sich die Kurse binnen zwei Jahren.
Die Gemeinschaftswährung schuf ihre eigene Blase. Die ägäische Scheinblüte, die auf den ersten Blick wie eine Bestätigung aller Hoffnungen wirkte, die mit dem Euro verknüpft waren, zeugte bei näherem Hinsehen von dessen unbeabsichtigt destruktiver Seite. Indessen gab es für Athen, um mit einem Buchtitel zu sprechen, keine Schulden ohne Sühne.
Ãhnlich erging es anderen Ländern der Euro-Peripherie: Auch in Portugal, Irland und Spanien stiegen die Löhne schneller als die Produktivität. Auch diesen Ländern war es nicht mehr möglich, die Landeswährung zum Ausgleich zu verbilligen, wie sie es früher getan hatten. Und auch diese Länder narkotisierten ihren Verlust an Wettbewerbsfähigkeit mittels Schulden, seien es staatliche oder
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