Weltkrieg der Waehrungen
Märkten: Wenn ein Trend gebrochen ist, kehrt er sich ins Gegenteil um. Die Devisenhändler besannen sich darauf, dass die Volkswirtschaft, deren Währung sie dem Europageld vorgezogen hatten, die amerikanische nämlich, ebenfalls nicht vor Gesundheit strotzte. Vielleicht war der Euro ein Einäugiger mit Krückstock, der Dollar jedoch brauchte schon zwei Krücken. So begann der Kurs langsam, aber sicher zu steigen. Nun kamen die Schönwetterjahre der Gemeinschaftswährung, in denen die Europäer einen festen Kurs des Euro als Beleg für die Solidität des Euro-Gefüges und das Funktionieren der Union nahmen. Eine voreilige Schlussfolgerung, wie sich bald zeigen würde.
Griechische Paradoxien
Zuweilen tritt an den Börsen der paradoxe Zustand ein, dass ein absurd hohes Bewertungsniveau von der Mehrheit der Akteure für normal gehalten wird. In aller Regel ist das ein Alarmsignal. So war es bei den astronomischen Kursen von Technologieaktien zur Jahrtausendwende, so war es zehn Jahre zuvor bei japanischen Firmen und Immobilien gewesen. Um das Jahr 2005 stand die Konvergenzidee unter Volkswirten und Investoren in höchster Blüte. Wenn es in der europäischen Währungsunion noch ein Wohlstandsgefälle gab (und das gab es definitiv), dann schien der Euro dieses Gefälle mit groÃer Geschwindigkeit zu nivellieren. Was Europas Südstaaten an modernen, international wettbewerbsfähigen Industrien mangelte, machten sie durch starken Konsum, dynamische Bautätigkeit und hohes Wachstum wett. Auch die Staatsfinanzen und Inflationsraten hatten sich so weit angenähert, dass der Euroraum Beobachtern so »harmonisiert« wie noch nie erscheinen musste.
Wenn sich die Euroländer gewissermaÃen auf dem Weg zur vollkommenen Harmonie befanden und überdies dieselbe Währung hatten, fragten sich Investoren, warum sollten sie für ihre Anleihen dann noch unterschiedlich hohe Zinsen zahlen? Diese Frage zu stellen, hieÃ, sie zu beantworten. Ergo machten sie sich in den Jahren nach der Einführung der Gemeinschaftswährung daran, höher verzinsliche, mutmaÃlich unterbewertete Staatsanleihen aufzukaufen. Der Kaufdruck war umso stärker, als diese Jahre ohnehin eine Liquiditätsflut sahen: Viel, sehr viel Geld befand sich auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten. Das durchaus absehbare Ergebnis war, dass sich die Risikoaufschläge in der Eurozone extrem annäherten. Nicht absehbar war, wie weit diese Angleichung gehen würde. Die Börsen waren in dieser Hinsicht für eine Ãberraschung gut.
In einem funktionierenden Markt erfüllen Risikoprämien eine wichtige Doppelfunktion: Sie schützen und informieren. Steigen die Aufschläge (in der Fachsprache »Spreads« genannt), signalisiert das dem Schuldner, dass die Marktteilnehmer eine Verschlechterung seiner finanziellen Gesundheit diagnostizieren. Aus Sicht des Gläubigers stellt die Prämie einen Ausgleich für das erhöhte Ausfallrisiko dar. Begibt ein notorisch unter Umstrukturierungsbedarf stehendes Unternehmen eine Anleihe, muss es dafür mehr Zins bieten als ein grundsolider Konzern. Ebenso verhält es sich bei Staaten: Zapft eine politisch und wirtschaftlich um Halt ringende Bananenrepublik den Kapitalmarkt an, muss sie Investoren mit einer höheren Rendite locken als ein Land, das als Hort der Stabilität bekannt ist. Fiskalische und ökonomische Anfälligkeit sollt sich in höheren Prämien niederschlagen, haushälterische Disziplin und strukturelle Stärke in niedrigeren. So zumindest die Theorie.
Im Falle der Europäer aber versagte die Warnfunktion des Marktes. Im Jahr 2005 hatten sich die Renditen deutscher und griechischer Staatsanleihen nahezu vollständig angenähert. Beide Länder mussten für fünfjährige Staatsanleihen das Gleiche zahlen, nämlich rund dreieinhalb Prozent. Nur ein einziges Basispünktchen mehr â 0,01 Prozentpunkte â verlangten Investoren zeitweise als Risikoausgleich dafür, dass sie ihr Geld dem griechischen und nicht dem deutschen Finanzminister liehen. Zur Ehrenrettung der Akteure muss gesagt werden, dass die Bundesrepublik Deutschland in dieser Zeit nicht gerade als der finanzpolitische Musterknabe Europas auffiel. Nach jeder Menge Polit-Gezeter, das es in den Neunzigerjahren (unter den meist mürrischen Augenbrauen des deutschen Finanzministers Theo Waigel) um den Wachstums- und
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