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Weltkrieg der Waehrungen

Weltkrieg der Waehrungen

Titel: Weltkrieg der Waehrungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel D. Eckert
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eingeschlagen, noch ehe die spekulativen Marktkräfte Blut geleckt hatten. Erschwerend kam hinzu, dass Athener Regierungen einen miserablen Ruf hatten, wenn es darum ging, schmerzhafte Reformen nicht nur zu verkünden, sondern auch durchzusetzen. Griechenland und die Eurozone als Ganzes hatten nun schon viel Glaubwürdigkeit eingebüßt. Es war klar, dass Athen schon zu tief in der Tinte saß, um sich aus eigener Kraft zu befreien. Die Situation wurde dadurch nicht erleichtert, dass die hellenische Bevölkerung im Ruf stand, als sozial ungerecht empfundene Sparpläne der Regierung mit heftigen Streiks zu hintertreiben. Papandreou, der bei seiner Wahl zum Premier einen Neuanfang versprochen hatte, war Teil jenes politischen Establishments zu sein, das für die Schuldenmisere verantwortlich zeichnete. Schon sein Vater und sein Großvater waren Regierungschefs gewesen.
    Immer häufiger wanderte der Blick von Athen nach Brüssel, von dort nach Paris und Berlin und wieder zurück. Wie würden die Euro-Partner reagieren, wenn ein Staat der Währungsunion auf die Pleite zuschlitterte? Sicherlich gab es im Maastricht-Vertrag Artikel, die Hilfe für in finanzielle Schieflage geratene Mitgliedsländer untersagten. Doch Brüssel war die Hauptstadt der Gummiparagrafen. Viel gravierender war die Gefahr, dass sich die beiden wichtigsten Partner nicht auf die Art der Hilfe einigen konnten. Deutschland und Frankreich, die beiden Flügelmächte der Währungsgemeinschaft, schienen lange Zeit keine gemeinsame Linie zu finden. Vor allem der französische Präsident Nicolas Sarkozy mahnte zu europäischer Finanz-Solidarität. Nach einer wenig glanzvollen ersten Halbzeit seiner Legislatur versuchte er das Image des Machers wiederzugewinnen. Aber auch die hohen Außenstände der Pariser Banken in Athen spielten eine Rolle: Sie verdammten ihn dazu, eine schnelle Lösung zu finden, wollte er nicht als ein Präsident anmuten, dem das Wohlergehen der französischen Kreditwirtschaft gleichgültig war. Während Sarkozy drängte, lehnte die deutsche Bundeskanzlerin ein Rettungspaket für Griechenland vehement ab. Auch sie musste auf die Innenpolitik Rücksicht nehmen: Anfang Mai stand die wichtige Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen an, und Angela Merkel wusste, dass Finanzhilfen an Südländer kaum dazu angetan sein würden, die Popularität ihrer Koalition beim Volk zu haben. Am 11. Februar 2010 konnten sich die Eurostaaten lediglich zu einer lauwarmen Erklärung durchringen, derzufolge man Athen nicht hängen lassen werde. Das Kommuniqué blieb jedoch sogar für europäische Verhältnisse zu sehr im Ungefähren. Fondsmanager und andere Investoren quittierten diese Vagheit auf ihre Weise, indem sie griechische Staatsanleihen nun en bloc verkauften. Um überhaupt noch Abnehmer für seine Schuldtitel zu finden, musste Athen jetzt immer höhere Zinsen bieten. Mehr und mehr wurde nun auch klar, dass der Fall Griechenland zu einem Fall Euroland wurde. Von griechischen Wertpapieren griff das Misstrauen auf europäische Werte insgesamt über. Der Euro begann, an den Devisenmärkten zu wackeln.
Moralisches Risiko
    Die EU-Fürsten steckten in einem schrecklichen Dilemma. Griechenland sollte geholfen werden, aber nicht so sehr, dass sich andere Defizitsünder sorglos weiter verschulden würden. Würde es Athen allzu leicht gemacht, sich aus der Verantwortung für die Schulden zu stehlen, könnte das andere Länder sogar dazu ermutigen, das Geld erst mit vollen Händen hinauszuwerfen und sich dann in das europäische Sicherheitsnetz zu werfen. Der Fachausdruck für dieses Dilemma lautet »moralisches Risiko«, eine etwas spröde Übersetzung für das englische »moral hazard«.
    Dahinter stand die Erkenntnis, dass Schuldner immenses Erpressungspotenzial haben, sind sie erst einmal groß genug. Ließ man, wie im Fall Lehman Brothers geschehen, einen wichtigen Spieler in Konkurs gehen, so hatte dies desaströse Folgen für das Weltfinanzsystem. In der Finanzkrise von 2008 hatten sich US-Regierung und -Notenbank in dieser Zwickmühle wiedergefunden: Stand der Staat Gewehr bei Fuß, um in Bedrängnis geratene Geldinstitute zu retten, konnten deren Manager bei ihren Geschäften ruhig immer höhere Risiken in Kauf nehmen. Das »moralische Risiko« wucherte. Nun waren es die Europäer, deren

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