Weltkrieg der Waehrungen
Stabilitätspakt gegeben hatte, riss die Bundesrepublik die Defizitgrenze des Paktes von 2002 bis 2005 viermal in Folge.
Allerdings bildeten Bundesanleihen, unter Devisenhändlern kurz »Bunds« genannt, in Europa seit Jahrzehnten die Messlatte (Benchmark) und sollten daher einen gewissen Wertaufschlag genieÃen, ebenso wie es jenseits des Atlantiks für US-Treasuries selbstverständlich ist. AuÃerdem hatte sich Deutschland in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg einen internationalen Ruf als erstklassiger Schuldner erworben. Unter Konrad Adenauer war die Bundesrepublik für die alten Schulden des Deutschen Reiches eingestanden, darunter sogar Reste alter Reparationsverpflichtungen aus dem Versailler Vertrag. Die Bundesrepublik hatte Zinsen und Tilgungen immer fristgemäà geleistet, obwohl das den jungen Teilstaat vor beträchtliche Belastungen stellte.
Griechenland hingegen hatte noch in den Neunzigerjahren mit zweistelligen Inflationsraten zu kämpfen und war in den vergangenen eindreiviertel Jahrhunderten seit seiner Unabhängigkeit nicht gerade als verlässlichste aller Schuldnernationen in Erscheinung getreten. Die Harvard-Ãkonomen Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff haben ausgerechnet, dass der hellenische Staat mehr als die Hälfte aller Jahre seit Loslösung vom Osmanischen Reich 1830 in Zahlungsverzug war. 59 Doch Anleger hätten keine Geschichtsbücher wälzen müssen, um gewarnt zu sein: Bereits Ende 2004 wies die europäische Statistikbehörde Eurostat darauf hin, dass Athen beim Beitritt zur Währungsunion falsche Angaben zu seiner Finanzsituation gemacht hatte. Es war eine unbequeme Wahrheit, die zu diesem Zeitpunkt aber kaum jemand hatte hören wollten. Gemessen an den Maastricht-Kriterien hätte sich das Mittelmeerland mit seinen kaum gezügelten Defiziten zu keinem Zeitpunkt für den Euro qualifiziert. Griechenland hatte sich die Mitgliedschaft im Klub erschwindelt. Doch nachdem es einmal mit dabei war, schien daran niemand mehr groà Anstoà zu nehmen. Diese Sorglosigkeit war ein verhängnisvoller Fehler.
Was dem gesunden Menschenverstand hätte Warnung sein müssen, kam bei professionellen Anleiheinvestoren offenbar nicht an. Wie also konnte es dazu kommen, dass es in den Jahren nach der Jahrtausendwende einen Run auf griechische Obligationen gab? Warum waren Investoren 3,75 Prozent Zinsen von Griechenland ebenso recht wie 3,66 Prozent Zinsen von Deutschland?
Eine ganz praktische Ursache war, dass die Europäische Zentralbank die Anleihen sämtlicher Eurostaaten gleichberechtigt als Sicherheit akzeptierte, ungeachtet der länderspezifischen Bonitätsunterschiede. Banken in der gesamten Währungsunion wurden dazu animiert, im groÃen Stil Schuldtitel der Peripherieländer auf ihre Bücher zu nehmen â eben weil diese ein paar Renditepünktchen mehr abwarfen als die deutschen. Ein anderer Grund lag in einem scheinbar neuen Paradigma, das auf die New Economy folgte, dem der New Safety. Im Millenniumcrash waren Aktien als riskant entlarvt worden, während Festverzinsliche, vor allem Staatspapiere, als der ultimative sichere Hafen galten. Sowohl in der breiten Anlegerschaft als auch bei professionellen Investoren war der Bedarf nach (vermeintlich) sicheren Anleihen groÃ. Zugegeben, die Rendite war nicht hoch, dafür gab es jedoch praktisch kein Risiko: Die Inflation galt als besiegt, und die öffentlichen Finanzen wurden, wenn nicht als solide, so doch zumindest nicht als gefährlich unsolide wahrgenommen. Die Eigenkapitalvorschriften des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht, in der Branche kurz Basel II genannt, verstärkten das Spiel mit Euroland-Staatsanleihen, indem sie diese per se in die Kategorie sichere Investments einordneten, ungeachtet des Emittenten. 60 So verflocht sich das gesamte Kreditwesen der Währungsunion zu einem groÃen finanziellen Komplex. Die europäische Einigung, die auf politischem Gebiet schon lange stockte, wurde zumindest für Banker Realität. Doch diese europäische Kreatur hatte auch eine dunkle Seite: Ãhnlich wie bei den schlecht oder gar nicht besicherten amerikanischen Schrotthypotheken schlummerten wahre Bomben in den Bilanzen der Institute. Kaum jemand in den Vorstandsetagen schien sich der Gefahren bewusst zu sein.
Zwar hatte die Welt in den zurückliegenden Jahren mit Russland 1998 und Argentinien 2001 zwei spektakuläre
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