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Weltraumpartisanen 01: Bordbuch Delta VII

Titel: Weltraumpartisanen 01: Bordbuch Delta VII Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Brandis
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von dem überwältigenden Erlebnis einer historischen Stunde.
    Professor Tarnowski bemerkte halblaut: „Captain Bengasi hofft, daß es Ihnen nach dieser Ansprache leichter fallen wird, mit ihm zusammenzuarbeiten." Commander Harris runzelte die Stirn und blieb stumm. Die feierliche Begrüßung der beiden Staatsmänner war vorüber. Samuel Hirschmann betrat das Podium - und ich hielt den Atem an. Auf einmal erfüllte mich die wahnwitzige Hoffnung, daß der ganze Spuk in wenigen Sekunden vorbei sein würde, daß schon die ersten Sätze des großen alten Mannes die Sensation enthalten würden, auf die unzählige Menschen warteten. Samuel Hirschmann hatte in den Jahren seiner politischen Karriere mehr als einmal unter Beweis gestellt, daß er auch in schwierigen Situationen zu taktieren  wußte. Ich redete mir ein, daß dieses öffentliche Auftreten des gestürzten Präsidenten nur eines bedeuten könnte, nämlich die Wendung zum Guten. Auch Ibaka und Stroganow schienen ähnliche Hoffnungen zu hegen, ich entnahm es ihren erwartungsvollen Mienen. Dann jedoch streifte mein Blick den Commander - und ich erschrak ob der unverhohlenen Gleichgültigkeit, mit der er dem Geschehen auf dem Bildschirm folgte. Damals verstand ich  ihn nicht - doch später ging mir auf, daß er mir in der Beurteilung der neuen Realitäten einen großen Schritt voraus gewesen war. Präsident Hirschmann konzentrierte sich, bevor er mit seiner Ansprache begann - und ich hörte auf, mich über den Commander zu ärgern, und gab mich ganz meiner Hoffnung hin.
    Sekunden später wußte ich nicht mehr, was ich denken sollte. Aus den Lautsprechern drang die vertraute, verehrungswürdige Greisenstimme, und für mich brach eine Welt zusammen. Aus meiner Hoffnung wurde ich in tiefste Verzweiflung gestürzt.
    „Bürgerinnen, Bürger der Drei Vereinigten Kontinente", sagte der Präsident, „mit Tränen der Freude in den Augen durchleben wir die Geburtswehen einer neuen und herrlichen Zeit ..." In diesem Sinne sprach er weiter, rasch und ohne zu stok-ken. Es war ein vorbehaltloses Bekenntnis zu den neuen Machthabern und ihrem Programm der Reinigenden Flamme. Unter Berufung auf die Liebe und Achtung, die ihm, dem ehemaligen Präsidenten, wie er wüßte, unverändert entgegengebracht wurde, beschwor er die Einwohner der EAAU, dem General volles Vertrauen zu schenken.
    Als der Präsident schließlich geendet hatte und die neue Nationalhymne erklang, war ich so verwirrt, daß ich nicht  wagte, meinen Kameraden in die Augen zu sehen, und ihnen — ich sah es an ihren betretenen Mienen — erging es offenbar nicht anders.
    Ein Mythos hatte sich soeben selbst zerstört. Der Unbestechliche, wie man Samuel Hirschmann früher einmal genannt hatte, war - anders konnte ich sein Überlaufen in das feindliche Lager nicht deuten - dem Preisangebot des Generals erlegen. Bestimmt wäre ich weniger überheblich gewesen, wenn ich schon damals verstanden hätte, was es bedeutete, daß der Präsident nach seinen letzten Worten fortfuhr, mit leeren, blicklosen Augen in die Kamera zu blicken, während seine Lippen leicht zitterten, als wollten sie noch immer Worte formen, obwohl es nichts mehr zu sagen gab. Aber zu diesem Zeitpunkt war ich viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt, um auf diese winzigen Signale zu achten. Was ich soeben erlebt hatte, war ungeheuerlich - so sehr, daß ich mich beharrlich weigerte, daran zu glauben, obwohl mein Verstand mir sagte, daß es sich tatsächlich zugetragen hatte. Eine furchtbare Anklage formte sich in meinen Gedanken, und ich war unfähig, sie hinwegzu-scheuchen, eine Anklage, die sich in einem einzigen Wort ausdrücken ließ: Verrat. Und so, wie Samuel Hirschmann mit dieser Rede alle Bürger der Drei Kontinente verraten hatte, die vielleicht, wenn man sie nur richtig angesprochen hätte, aufgestanden wären, um den General in seine Schranken zu verweisen, so hatte er auch mich verraten.
    Es gab, so sagte ich in meiner Überheblichkeit zu mir selber, keine Entschuldigung für Hirschmann - nicht einmal, falls man ihn gefoltert haben sollte. Wenn man wie er das Gewissen unzähliger Menschen vertrat, durfte man sich seiner Verantwortung nicht entziehen. Mit dieser Ansprache, so spürte ich, war die Machtergreifung durch den General perfekt geworden. Wenn sogar der Unbestechliche zum General überlief - aus Vorteil, aus Angst, gleichviel -, dann dürfte es in der EAAU bald niemanden mehr geben, der noch Mut und Kraft aufbringen würde, sich

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