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Weltraumpartisanen 10: Aktenzeichen: Illegal

Weltraumpartisanen 10: Aktenzeichen: Illegal

Titel: Weltraumpartisanen 10: Aktenzeichen: Illegal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Brandis
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siebenundzwanzig Jahre, wird in die VOR abgeschoben. Ein Vertreter der VORBotschaft wird sie auf ihrer Reise bis zur Grenze begleiten. Dieser Beschluß ist rechtswirksam und wird sofort vollstreckt. Miß Ko Ai, folgen Sie uns!“
    Der Gruppenführer hatte das Dokument bereits wieder in seiner Brusttasche verwahrt. Seine Hand wies auf den Ausgang.
    Ko Ai warf sich plötzlich an meine Brust, küßte mich auf beide Wangen und riß sich wieder los.
    „Leben Sie wohl, Commander!“
    Und am Gruppenführer und den lauernden Polizisten vorüber verließ sie die Wohnung. Steif und spindeldürr eilte Wang Yao hinter ihr her.
    Auch ich setzte mich in Bewegung.
    „Wohin?“ fragte der Gruppenführer.
    „Ich begleite Miß Ko Ai bis zum Flugdeck“, erwiderte ich - wobei ich nur hoffen konnte, daß der Klang meiner Stimme mich nicht verriet. „Dagegen kann es keine Einwendungen geben.“
    Der Gruppenführer verkniff den Mund.
    „Nicht, wenn Sie sich zurückhalten, Commander. Vertraulichkeiten können nicht länger geduldet werden.“
    Ich antwortete nicht.
    Der Gruppenführer hielt es für angebracht, mich zu warnen.
    „Diesmal, Sir, machen wir Ernst!“
    Daran zweifelte ich nicht. Der Apparat mußte sein angeschlagenes Selbstbewußtsein wiederherstellen. Der Fall Ko Ai war zur Kraftprobe gediehen. Der Ernst dieses Augenblicks war tödlich.
    Ich folgte den Polizisten zum Lift. Gemeinsam fuhren wir hinauf zum Flugdeck. Dabei vermied ich es, Ko Ai anzusehen - teils, weil ich fürchtete, unsere Blicke könnten vom Gruppenführer als geheimes Komplott gewertet werden, und teils, weil ich noch mehr befürchtete, versagt zu haben. Noch einmal einen Blick der Verzweiflung auf mich zu laden: das ging über meine Kräfte.
    Auf dem Flugdeck wehte ein klirrender, eisiger Wind und zerrte an den geparkten Helikoptern. Über dem Ozean lastete eine schwere, bleigraue Wolkenbank. Aus der Tiefe drangen - auf sonderbare Weise gedämpft und entstellt - die Geräusche der Stadt herauf: das Summen der eilfertig huschenden Taxen, das Gewirr der Stimmen, ein vereinzeltes helles Lachen. Die riesige Stadt lebte. Ihre Menschen lebten. Für sie alle war der Recht-aufLeben-Paragraph eine Selbstverständlichkeit. Sie alle waren Personen.
    In der Mitte des Flugdecks, deutlich abgegrenzt von den abgestellten Helikoptern, wartete ein startklarer Falco. Ein uniformierter Beamter des Departments A saß am Steuer.
    Die Polizisten beeilten sich, eine Gasse zu bilden. Was mochten in diesem Augenblick ihre Gedanken sein? Waren sie sich überhaupt darüber im klaren, daß sie sich zu Helfershelfern der Unmenschlichkeit machten? Ich studierte ihre Gesichter. Einige waren steinern, einige gleichgültig; in einigen weiteren glaubte ich eine Spur von Mitleid zu erkennen - eines Mitleids freilich, das von der Pflicht im harten Griff gehalten wurde. Für die Polizisten handelte es sich um einen Einsatz; sie waren hier in Ausübung ihres Berufs.
    Der Gruppenführer wies flüchtig auf den Falco. „Da hinüber!“
    Wang Yao stakte neben Ko Ai her. Ihm war es anzusehen, daß sein Gewissen unbelastet war. Eine Frage der Erziehung? Wahrscheinlich. Unter Menschlichkeit verstand man in den VOR etwas anderes als bei uns. Die Bevölkerungsexplosion hatte neue Maßstäbe gesetzt. Vor dem Anspruch des Kollektivs auf Leben und Üleben trat der gleiche Anspruch des Individuums zurück. Als Erklärung für Wang Yaos Verhalten mochte dies genug sein; dennoch ließ mich diese neue Moral schaudern. Würden auch wir eines Tages sie als verbindlich anerkennen?
    Eine Gasse aus Polizisten und ein startklarer Falco: warum mußte ich auf einmal an ein mittelalterliches Schafott denken? Weiß Gott, die Unbarmherzigkeit steckte uns noch immer im Blut. Wir hatten den Himmel gestürmt und erobert - aber der neue Mensch, von dem die Dichter und Philosophen kündeten, war noch nicht in Sicht.
    Es sei denn - Ko Ai! Sie schritt diesem Schafott entgegen mit dem Mut und mit der Würde eines unbefleckten Gewissens.
    Es gab nichts mehr, was ich für sie tun konnte. Was geplant werden konnte, war längst geplant; alle meine Einfälle und Hoffnungen waren verbraucht. Nur noch das stumme Gebet war mir verblieben -eines dieser stummen Gebete, wie es einen manchmal unter den Sternen durchzuckte, in der kalten Einsamkeit des Raumes, wenn der leere Himmel in das Schiff hereinzubrechen drohte: Herrgott, hilf! Und danach verwandelte man sich in Energie, Aktion und Phantasie und tat ohne langes Überlegen alles,

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