Weltraumpartisanen 10: Aktenzeichen: Illegal
Erklärung: Das Marineamt hatte vor etlichen Jahrzehnten die Hand darauf gelegt, um sie in einen Stützpunkt gegen die VOR zu verwandeln. Der Fortschritt in der Waffentechnik hatte das Projekt hinfällig werden lassen; das Marineamt hatte mit dem Bau unterseeischer Bastionen begonnen -ohne freilich die Insel für die Besiedelung freizugeben. Und so, dank des gigantischen Wettrüstens zwischen den Hemisphären, war sie geblieben, was sie seit Anbeginn aller Zeiten war: ein unberührtes Fleckchen Erde.
Bis hinüber nach Espiritu Santo war es mit meinem Scout ein mäßiger Katzensprung. Wie lange war das her, daß ich mich dort mit dem mörderischen Projekt Kolibri abgeplagt hatte? Drei Jahre. Wirklich nur drei Jahre? Damals war Grischa Romen ein simpler Testpilot zweiter Klasse gewesen, an dessen Überleben niemand mehr geglaubt hatte: aus dreitausenddreihundert Metern Wassertiefe hochkatapultiert zu den Sternen. Seine letzten Worte waren eine Melodie auf der Mundharmonika gewesen:
Mne wsjo rownö…
Was schert es mich, ob ich lache, ob ich weine…
Eine Zigeunerweise im Reich der Sterne. Drei Jahre war das her. Scherte es ihn immer noch nicht, ob er lachte, ob er weinte? Ko Ai war in sein Leben getreten - wie vor langer Zeit Ruth O’Hara in das meine. Mit der Liebe kam die Verantwortung. Und es kam auch das verwunderte Entdecken, wie sehr es sich doch zu leben verlohnte.
Ich hörte auf, vor mich hinzuträumen. Espiritu Santo, die verfluchte Insel, war längst Vergangenheit. Ich hatte es mit der verfluchten Gegenwart zu tun, in der die Menschenjagd mit bürokratischer Nüchternheit betrieben wurde. Ahnten die Bürger der EAAU überhaupt, welches Kuckucksei in Gestalt des selbstherrlichen Sicherheitsdienstes in ihrer Mitte heranreifte? Und falls sie es ahnten - verhielten sie sich nicht, wie ich mich lange genug verhalten hatte, als ich mich noch nicht persönlich betroffen fühlte: gleichgültig? Heute war es Ko Ai, die gejagt wurde; morgen würde es ein anderer sein. Wenn eine Behörde sich erlauben durfte, Menschen zu jagen wie wilde Tiere, begann die Zivilisation rissig zu werden, und durch die klaffenden Fugen zwängte sich der böse Geist des Mittelalters.
Etwas mußte geschehen.
Ich begann mich auf der Insel umzusehen.
Die Annäherung des Scout s schien unbemerkt geblieben zu sein, oder sie war falsch verstanden worden. Niemand zeigte sich.
Der weiße, saubere Sand trug keinerlei Abdrücke. Das besagte nichts. Captain Romen und Ko Ai würden sich hüten, allzu verräterische Spuren zu hinterlassen: immer vorausgesetzt, daß meine Vermutung zutraf und sie sich wirklich auf dieser Insel befanden. Falls es sich herausstellen sollte, daß ich mich geirrt hatte, war guter Rat teuer.
Ich erklomm einen aufragenden Felsen und hielt Ausschau. Nichts verriet die Anwesenheit anderer Menschen, und vor allem: es war keine Diana zu sehen. Das konnte freilich auch bedeuten, daß sie von Captain Romen so gut getarnt war, daß sie mit ihrer Umgebung verschmolz. Im Bürgerkrieg war er ausgebildet worden für den Einsatz hinter den feindlichen Linien; er wußte gewiß auch, wie man ein abgestelltes Schiff vor den wachsamen Infrarotaugen der stets neugierigen Satelliten verbarg. Falls dem so war, wie ich hoffte, machte er mir die Suche nicht eben leicht.
Andererseits: hatte ich im Ernst erwartet, ich brauchte lediglich diese Insel anzusteuern und an Land zu gehen, um von ihm und Ko Ai mit einem fröhlichen Hallo empfangen zu werden? Die Erfahrung von Las Lunas nistete in ihren Köpfen. Sie befanden sich auf der Flucht: wachsam, mißtrauisch und vereinsamt. Stets auf dem Sprung. Stets in dem Bewußtsein, daß jede Stunde die letzte sein konnte.
Ich legte die Hände vor den Mund: „Captain Romen!“
Nichts. Keine Antwort. „Ko Ai! „
Auch diesmal nichts. Keine Antwort.
Nur der Wind ließ sich vernehmen; er strich flüsternd über den Sand, und er rauschte im üppigen Laub der Bäume. Es war lange her, daß ich etwas Vergleichbares erlebt hatte. Auf der Erde waren die verschwiegenen Plätze rar geworden. Ich fühlte mich zurückversetzt in die Zeiten eines Robinson Crusoe, obwohl dieser gewiß nicht geahnt hatte, daß ihn spätere Generationen einmal beneiden würden.
Ich kehrte noch einmal an Bord des Scout s zurück und nahm die durchweichten Fotos zur Hand. Auf einem davon war die Bucht abgebildet, in der ich mich gerade befand. Der Research-Computer hatte saubere Arbeit geleistet.
Wieder am Strand, fand ich
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