Weltraumpartisanen 19: Astropolis
Fahrstuhl, und hinter ihm schloß sich die Tür. Auch für Lieutenant Wronski und mich war die Zeit zum Handeln gekommen.
Der Plan stammte von ihm, und er hatte mich lediglich darum ersucht, ihm zur Ausführung die Genehmigung nicht zu verweigern – aber in einem Fall wie diesem wollte und durfte ich nicht zurückstehen, mochte das Cockpit vorübergehend auch unbesetzt bleiben. In einem Punkt war es mir sogar möglich, Lieutenant Wronskis Plan zu verbessern. Die Anregung dazu lag auf der Hand.
Kurz nach 21 Uhr brachen wir auf.
Zwei Dinge nahmen wir mit: den City-Plan und eine Konstruktionspause von PL 01. Lieutenant Wronski war nervös. An ihm nagte die Furcht, zu spät zu kommen. Er beruhigte sich jedoch merklich, als ich sagte: »Im Augenblick ist das Astropol an der Reihe. Ich gehe jede Wette ein, daß Graham sich die anderen Opfer für morgen aufspart. Wir brauchen nichts zu überstürzen.«
Bevor wir uns endgültig auf den Weg machten, fuhren wir noch einmal hinab in die Maschinenetage. Wie ich erwartet hatte, war das Labyrinth menschenleer. Unangefochten erreichten wir die Klimazentrale. Zwei der weißen Ingenieurkittel, die darin an den Haken hingen, nahmen wir an uns.
Im Fahrstuhl musterte mich Lieutenant Wronski mit breitem Grinsen.
»Sir«, sagte er, »der Schlag soll mich rühren, wenn Sie in dieser Maskerade nicht aussehen wie der geborene Medizinmann!«
Ich warf ihm den zweiten Kittel zu.
»Mit fehlt noch ein Heilgehilfe. Ziehen Sie das an – und dann los!«
Seite an Seite traten wir hinaus in das gleißende Sonnenlicht, das ungeachtet der nächtlichen Stunde über dem Platz lag. Es war wie ein Absprung: Man ließ sich über die Schwelle der sicheren Zuflucht fallen – aber der Schirm, der einen auffangen sollte, war einer von der unerprobten Sorte. Der Sturz nahm kein Ende …
Auf die weißen Kittel war Verlaß. Nach ein paar Schritten gaben sie uns festen Boden unter den Füßen. In dieser Nacht waren sie auf Astropolis gleichsam das Symbol des angebrochenen neuen Zeitalters. In ihnen manifestierte sich der endliche Sieg der menschlichen Intelligenz über die Unzulänglichkeit der natürlichen Weltordnung, der Triumph der Biotechnik über den dumpfen Zufall Schöpfung. Die tanzende, johlende, gaffende Menge wich vor uns zurück.
Lieutenant Wronski bewegte die Lippen.
»Haben Sie eine Ahnung, Sir, wie ich mir vorkomme?«
»Wie?«
»Wie der Reiter über den Bodensee.«
Wronski war ein Mann der Überraschung: er kannte dieses zweihundert Jahre alte Gedicht, das die Kinder früher in der Schule hatten lernen müssen.
In der Tat: Ein zögernder Schritt, ein verräterisches Anzeichen der Unsicherheit – und der Mob mußte über uns herfallen. Im günstigsten Fall erwartete uns dann die Spritze. Es mochte auch sein, daß uns der gefoppte Pöbel den TABs vorwarf – wenn er uns nicht zuvor einfach in Stücke riß.
Wir erreichten die Barriere der offenen Impflokale, vor der noch immer eine endlose Schlange stand –und mein Blick wanderte über die Gesichter aller dieser Frauen und Männer, die auf das Heil aus der Spritze warteten.
In den meisten sah ich nichts als dumpfe Ergebenheit in das Schicksal.
Eine Krankenschwester schenkte uns ein Lächeln.
»Kein Serum mehr, Doktor? Sie können von mir etwas abhaben.«
Auf Lieutenant Wronski, der neben mir ging, wirkte die Anrede wie ein elektrischer Schlag. Ich spürte, wie er sich spannte – und sei es nur, um sich nicht kampflos überwältigen zu lassen.
Es gelang mir, meine Betroffenheit zu verbergen.
»Wir werden im Labor benötigt, Schwester. Lassen Sie sich nicht aufhalten.«
Wir gingen weiter.
Die Stimme der Krankenschwester holte uns ein: »Welch ein Tag, Doktor! Welch ein großer Tag! Man wird einen neuen Kalender einführen müssen!«
Ich hob ein wenig die Hand – und sie mochte nun des Glaubens sein, daß ich ihre Begeisterung teilte und daß auch für mich dies der erste Tag einer neuen Zeitrechnung war, das oberste Blatt auf dem Warrenschen Kalender.
Wie ich gehofft hatte, war alles, was Beine hatte, auf der Plaza Humanitas zusammengeströmt – teils um zu feiern, teils um sich impfen zu lassen. Die Straßen waren menschenleer und dunkel. Wir erreichten den kommunalen Parkplatz und stellten fest, daß Pater Georgius’ Landcar fehlte: ein gutes Zeichen.
Das Portal der Magdalenen-Kirche war verschlossen, aber der Schutz, den es darstellte, war mehr als fragwürdig. Den TABs konnte sie nicht lange widerstehen. Uns wurde
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