Weltraumpartisanen 19: Astropolis
Loch.
Pater Georgius rang nach Luft, aber seine Augen lachten. Ich warf ihm Lieutenant Wronskis weißen Kittel zu.
»Und nun, Pater, machen Sie auch weiterhin ein heiteres Gesicht!«
Wir verließen die Magdalenen-Kirche durch eine schmale Seitenpforte. Als Pater Georgius sie zudrücken wollte, fiel ich ihm in den Arm. »Nur angelehnt lassen, Pater!« Er begriff und nickte.
Die falsche Spur würde die Warrianer hindern, sich gründlicher in der Kirche umzusehen. Die falsche Spur führte stadtauswärts. Für eine Weile mochte die Täuschung vorhalten.
Die weißen Kittel taten auch diesmal ihre Schuldigkeit. Unbehelligt überquerten wir die Plaza Humanitas. Nur die Krankenschwester konnte ihre Wißbegier nicht zügeln: »Was hat’s denn gegeben im Labor, Doktor?« Ich winkte ab.
»Nur das Übliche, Schwester, nur das Übliche!«
Mochte sie selbst entscheiden, was das Übliche war. Ich wußte es nicht.
Im Turm bestiegen wir, nachdem ich den Eingang erneut verriegelt hatte, den Fahrstuhl zur Maschinenetage.
Das Labyrinth mit seinen unzähligen Stationen war nach wie vor menschenleer. Ungesehen erreichten wir die Klimazentrale, und hier entriegelte ich das Mannloch, durch das sich die Reinigungskolonne zwängte, der die Instandhaltung und Pflege des Systems oblag, und Lieutenant Wronski lachte mir ins Gesicht: »Es ist wahrhaftig ein erhebendes Gefühl, Sie wiederzusehen, Sir!«
Ich konnte ihm die Ungeduld nachempfinden, mit der er auf mein und Pater Georgius’ Erscheinen gewartet hatte. Von innen war die Klappe nicht zu öffnen. Wäre ich auf dem Wege aufgehalten worden, hätte er mit seinen hundert Schützlingen im Klimastrang, während ihm der kalte Wind ins Gesicht blies, festgesteckt wie die Maus in der Falle.
Von der Klimazentrale waren es dann nur noch wenige Schritt bis zum Maschinenraum, und den hatte bislang noch kein Unbefugter betreten. Das an der Tür angebrachte Warndreieck mit dem Totenkopf bildete eine hervorragende Hemmschwelle.
Pater Georgius runzelte die Stirn. Ich beschwichtigte ihn.
»Im Leitstand sind Sie sicher wie in Abrahams Schoß!«
Er schälte sich aus dem weißen Kittel und klopfte den Staub von der Soutane.
»Eine verrückte Welt!« murmelte er.
Ich verstand ihn. Er war der Ansicht, daß das Warndreieck am falschen Ort hing. Man hätte es beizeiten über Gilbert Grahams Labor nageln sollen – bevor man dies den Flammen übergab. Nun war es dafür zu spät.
9.
Der neue Tag brach an.
An Schlaf war nicht zu denken gewesen. Ich hatte meine Freiwache im Cockpit verbracht, wo Lieutenant Wronski in die Berechnungen des zweiten Abschnitts der Kurskorrektur vertieft war. Bellinda versorgte ihn und mich mit heißem Kaffee.
Bellindas Anwesenheit im Cockpit war ein Verstoß gegen die Regeln, aber ich nahm dies in Kauf, um nicht erleben zu müssen, daß mein Navigator alle fünf Minuten unter einem Vorwand in den Maschinenraum entschwand.
Unter dem seidigen Silberglanz der Sterne, die unbeirrbar ihre Bahn zogen, geriet man in Versuchung zu glauben, daß das Cockpit, das hoch über den Ereignissen schwebte, einer anderen und besseren Welt angehörte: eine unantastbare Zuflucht, wo einzig und allein der Dienstplan regierte.
Es war eine bittere Illusion. Selbst bei geschlossenem Fenster ließ es sich nicht überhören, wie auf der Plaza Humanitas die Menge aufbrüllte.
»Sir!«
»Was ist passiert?«
Lieutenant Wronski reichte mir das Glas – und mir kam es vor, als ob seine Hand dabei fast unmerklich zitterte.
Mitten auf dem Platz hatte sich ein neuer Pulk gebildet – und das erste bekannte Gesicht, das ich durch die Optik erkannte, war das eines meiner Maschinisten, das Gesicht von Sergeant Armandez.
Armandez trug einen weißen Halbkittel, und um seinen linken Arm war eine Binde geschlungen, die das Symbol des neuen Zeitalters trug: auf giftgrünem Grund die flammendrote Tarassenkosche Spritze. Armandez’ ausgestreckte Hand war anklagend auf einen gefesselten Mann gerichtet.
Anfangs dachte ich bei seinem Anblick an Robins, den anderen Maschinisten. Erst als sich der gefesselte Mann bewegte, erkannte ich ihn.
Etwas preßte mir die Kehle zusammen.
Der Gefangene auf der Plaza Humanitas war niemand anderes als Lieutenant Mobuto: ein schwarzes, gequält wirkendes Gesicht.
»O Gott, Sir – das können wir doch nicht zulassen! Wir müssen etwas unternehmen!«
Lieutenant Wronskis Hände verkrampften sich um das Geländer.
Ich schwieg.
Was erwartete Lieutenant Wronski von mir
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