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Weltraumpartisanen 24: Astronautensonne

Titel: Weltraumpartisanen 24: Astronautensonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Brandis
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mich abwärts. Im Helmlautsprecher waren keuchende Atemzüge zu hören. Jennifer Jordan folgte mir.
    Auf den roten Stahlzylinder war ein bienenkorbgroßes schwarzes Gehäuse aufgesetzt: der Aktivator. Die Sicherung steckte in einem Hohlgewinde mit einem gewöhnlichen Sechskantkopf.
    Die Monteure hatten das passende Werkzeug gehabt. Ich besaß nur den schartigen Engländer. Mit der linken Hand klammerte ich mich fest; dann machte ich einen langen Arm und setzte den Schlüssel an. Die Öffnung war zu weit; der Engländer drehte sich leer. Ich zog den Arm an mich heran und machte die Öffnung kleiner.
    Der zweite Versuch: Metall stieß klirrend gegen Metall. Am liebsten hätte ich meine Freude in alle Welt hinausgebrüllt. Der Schlüssel faßte. Das Gewinde setzte mir Widerstand entgegen. Ich drückte härter zu.
    Nein: Ich wollte härter zudrücken. Aber zwischen dem, was ich wollte, und dem, was ich tat, gab es keinen logischen Zusammenhang. Der lädierte Mechanismus protestierte gegen die ihm aufgezwungene Anstrengung. Statt zuzudrücken, ließ ich los. Der Engländer rutschte ab, fiel auf den roten Stahlzylinder, rutschte tiefer und verklemmte sich im Halbdunkel zwischen Stahlzylinder und Wand.
    Einen Atemzug lang war ich entschlossen aufzugeben. Vielleicht hätte ich Lieutenant Levy schicken sollen: jung und sportlich. Oder Lieutenant Stroganow: gewissenhaft und erfahren. In meiner Hast, die Sicherung herauszudrehen, hatte ich vergessen, was ich noch immer war: ein halber Krüppel.
    Ich verschloß mich der Stimme der Versuchung, löste mich aus der Erstarrung, hangelte mich tiefer, wechselte hinüber auf den roten Stahlzylinder mit der kritischen Masse, legte mich platt auf den Bauch und angelte mit ausgestrecktem Arm nach dem Schlüssel. Der Arm wäre lang genug gewesen, aber er war zu dick.
    Es war zum Verrücktwerden. In ein paar Minuten ging die bewährte kosmische Ordnung zum Teufel -und letztlich auch deshalb, weil mein Arm so dick war, so daß ich den verdammten Engländer nicht zu fassen bekam.
    „Lassen Sie mich machen, Sir!“
    Ich hatte sie total vergessen. Plötzlich lag sie neben mir und zwängte ihre Schulter in den schmalen Spalt. Sie keuchte. Sie stöhnte vor Anstrengung. Sie wälzte sich schnaufend herum. Ihre Hand kam zum Vorschein und reichte mir den Schlüssel.
    „Danke, Jennifer.“
    Ich ergriff ihn, turnte zurück und schraubte die Sicherung heraus.
    Diesmal war es die einfachste Sache auf der Welt.
    Die Sicherung war heraus. Ich warf sie fort. Ich warf auch den Engländer fort. Ich schob Jennifer Jordan vor mir her.
    „… raus! Raus!“
    Sie zögerte. Wahrscheinlich war sie der Ansicht, daß nun keine Gefahr mehr bestand. In entscheidenden Momenten hatte sie das Herz einer Löwin, doch von der Technik verstand sie nicht viel mehr als ihr unseliger Kompagnon Axel.
    „Aber wir haben doch…“
    Ich schnitt ihr den Faden ab.
    „Nichts haben wir! Wir haben nur bewirkt, daß es nicht zur Fusion kommt. Raus!“
    Sie setzte sich in Bewegung. Ich hangelte mich hinter ihr her. Wir erreichten den Fahrstuhl. Qualvoll langsam ratterte er in die Höhe. Das Gitter fuhr auf. Ich stieß Jennifer Jordan hinaus. Lieutenant Stroganow, Lieutenant Levy und Captess Kato überschütteten mich mit Fragen. Ich fragte auch. Ich fragte:
    „Wie spät?“
    Jennifer Jordan sah auf die Uhr.
    „Dreizehn Uhr neunundfünfzig, Sir.“
    Noch eine Minute: sechzig Sekunden.
    „Weg hier!“ Ich trieb die begriffsstutzige Schar an.
    „Laufen Sie! Laufen Sie!“
    Endlich gehorchten sie. Endlich rannten sie los. Ich hinkte hinter ihnen her wie der Storch im Salat. Wir kamen nicht weit. Unter den Füßen hob sich die Oberfläche. Der Stoß war nicht allzu heftig, aber er genügte, um mich aus dem Rhythmus zu bringen. Ich fiel hin. Und während ich mich auf die Seite rollte, um wieder auf die Beine zu kommen, sah ich die Feuersäule über dem Bohrloch.
    Die Feuersäule wuchs und wuchs. Sie wuchs in den schwarzsamtenen Himmel hinein.
    Das Vulkanit war gezündet worden. Aber weil ihm im entscheidenden Moment der physikalische Widerpart fehlte, flammte es nur einmal kurz auf und erlosch. Die Feuersäule stürzte in sich zusammen, und der Himmel mit den schillernden Saturnringen wurde wieder klar.
    Ich war darum bemüht, mich aufzurappeln.
    Captess Kato, Lieutenant Stroganow, Lieutenant Levy und Jennifer Jordan waren stehengeblieben und hatten sich umgedreht. Ich vernahm ihren triumphierenden Aufschrei. Sie triumphierte zu früh.

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