Weltraumpartisanen 27: Pandora-Zwischenfall
Faszination seiner Persönlichkeit. Wovon andere Wissenschaftler vor ihm nur geträumt hatten, war für ihn greifbar nahe: Mit dem Astraliden schuf er den neuen Menschen, der vom Universum Besitz ergriff. Und mein Wissen und meine Erfahrung halfen dabei mit. Irgendwann einmal würden gedankenschnelle Schiffe den Ozean der Milchstraße durcheilen: auf Routen, die ich mit Hilfe des ICPs vorgeplant hatte.
Einem plötzlichen Impuls folgend, begab ich mich ein Deck tiefer und betrat die Klinik. Was ich dort wollte, wurde mir eigentlich erst klar, als mir einer der Helferinnen im gestärkten blütenweißen Kittel erklärte, daß ich zu spät kam.
„Zu M 95?“
„Er war mein Schüler.“
„Ist schon weg.“
„Wie?“
Ich mußte ihr vorkommen wie ein Hintermondler, der von nichts eine Ahnung hat. Ihr Tonfall wurde schnippisch.
„Bei den Mustern geht das ruckzuck!“ erklärte sie. „Da wird nicht viel Aufhebens gemacht. Was wollten Sie denn noch mit ihm?“
Was wollte ich? Was hatte mich hergeführt? Ich hatte nicht darüber nachgedacht. Plötzlich wußte ich es. Ich war gekommen, um mich von M 95 zu verabschieden, um meinem Schüler und Zögling die letzte Ehre zu erweisen.
Ich machte kehrt und ging hinaus.
Vor einem der Bullaugen blieb ich stehen. Der Silberglanz der Sterne war immer noch Balsam für meine Seele gewesen. Mich fror. Ich starrte hinaus und zwang mich, die Trauer, die von mir Besitz zu ergreifen trachtete, in ihre Schranken zu verweisen. Verdammt, dachte ich. Verdammt. Verdammt. Dabei wußte ich nicht einmal, wen oder was ich meinte.
Vor dem Bullauge glommen die gewohnten Leuchtfeuer. Andromeda überschüttete mich mit ihrem flimmernden Glanz. Und wieder verspürte ich die alte Sehnsucht.
Da lag sie vor mir, die neue Welt, Eiland um Eiland, und blieb doch immer für mich unerreichbar, denn für die Ausfahrt in diesen Ozean der Lichtjahre war mein Leben zu kurz.
Dem Kometen Cunningham machte dieser Ozean nichts aus. Sein Zeitmaß war das von Ewigkeiten. Und der Astralid, den er in diese Unendlichkeit hinaustrug, auf daß er, sich mehrend, von einer Eroberung zu anderen schritt, war unser Stellvertreter. Auch meiner. Er war aus unserem Fleisch und Blut gezeugt, mit unserem Geist belebt. Mit ihm trat die auf der Erde begonnene Zivilisation ein in die Phase der Vollendung.
Warum also diese Zweifel? Und gab es nicht in Metropolis die aufsichtführende Kommission? Bisher hatte sie dem Projekt ihren Segen nicht entzogen.
„Commander…“
Ich wandte mich um. Captain Mboya hatte seinen Kontrollgang unterbrochen.
„Captain?“
Er trug einen frischen Overall, und an die Gefahren und Anstrengungen der großen Schlacht erinnerten nur die versengten Wimpern und Augenbrauen in seinem ebenholzschwarzen Gesicht.
„Es tut mir leid, Sir.“
„Ja. Ich habe ihn gemocht.“
„An Ihrer Stelle, glaube ich, würde ich genauso empfinden, Sir. Man kommt nicht so einfach darüber hinweg.“
„Es ist nicht leicht, an meiner Stelle zu sein, Captain.“
„Da haben Sie recht, Sir. Ich möchte mit Ihnen nicht tauschen.“
Captain Mboya setzte seinen unterbrochenen Kontrollgang fort. Unser Wiedersehen stand unter keinem guten Stern. Seine letzten Worte hatten geklungen wie eine Anklage. Es war nur richtig, daß er sich ablösen ließ. Wenn man den Anforderungen eines Projekts nicht gewachsen ist, muß man die Konsequenzen ziehen.
Ich kehrte in das ICP zurück, um den Unterricht offiziell zu been-den. Professor Jago mochte es mit den Mustern halten, wie er wollte. Ich hielt mich an meine eigenen Regeln.
Meine Muster-Schüler waren an der Arbeit. Sie rekapitulierten die Aufgaben der letzten Woche. Ihr Fleiß und ihre Wißbegier waren wirklich bewundernswürdig. Ihre Intelligenz wurde von Lektion zu Lektion unersättlicher. Eine unrühmliche Ausnahme bildeten lediglich M 92 und M 99. Die beiden waren am Plaudern und Kichern.
Während die anderen ihre Boxen räumten, winkte ich die beiden Faulpelze zu mir heran. Sie näherten sich mir Hand in Hand. Und eben dies ging mir gegen den Strich.
„M 92“, erkundigte ich mich streng, „waren Sie nicht noch gestern die Freundin von M 95?“
Ihr Blick war von bewegender Unschuld.
„Ja, Sir. Weswegen fragen Sie?“
Ich sagte es ihr ins Gesicht: klipp und klar. Mochte es mich etwas angehen oder nicht. Ein Gefühl in mir rebellierte.
„Ich will nur wissen, ob Sie ihn nicht vermissen. Antworten Sie!“
M 92 dachte nach. Bevor sie sich entschied, tauschte sie
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