Weltraumpartisanen 27: Pandora-Zwischenfall
zuletzt war es mir nicht möglich, in meinen adretten Zöglingen Muster ohne Wert zu sehen. Wahrscheinlich übte ich den falschen Beruf aus. In der Unabhängigen Gesellschaft zur Rettung Raumschiffbrüchiger (UGzRR), deren Erster Vormann ich unverändert war, wurde die Ehrfurcht vor dem Leben groß geschrieben.
Als M 95 seinen Verletzungen erlag, war ich tief betroffen, und ich denke, daß jeder normale Hochschullehrer mir das nachempfinden kann. Da investiert man all sein Wissen, all seine Kraft, all seine Geduld in einen vielversprechenden jungen Menschen - und eines Tages steht man fassungslos vor der leeren Bank.
M 92 überbrachte mir die Nachricht. Zu Beginn des Unterrichts hatte ich sie losgeschickt, um ihrem Kameraden unsere Genesungswünsche zu überbringen. Als sie das ICP wieder betrat, hatte ich gerade die Navigationstabelle II eingeblendet. Mitten in der Erklärung brach ich ab und sah M 92 an. Sie hatte einen Kaugummi zwischen den Zähnen.
„Haben Sie mit ihm gesprochen?“
Ihr Kauen wurde langsamer.
„Hab’ ich nicht.“
„Weshalb? Hat man Sie nicht vorgelassen?“
„Hat man doch.“
„Also waren Sie bei ihm, und es ging ihm nicht gut?“
Sie manövrierte den Kaugummi von einer Backenseite zur anderen.
„Er ist tot, Sir. Ein Mann weniger im Team. Das bedeutet zusätzliche Aufgaben für uns alle. Und ausgerechnet jetzt muß ich die Einführung in die Navigationstabelle Zwo versäumen!“
M 92 warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu und begab sich auf ihren Platz.
Ich sagte: „Beschäftigen Sie sich eine Weile allein! Ich komme gleich wieder.“
Professor Jago empfing mich sofort. Als ich eintrat, saß er hinter seinem Schreibdeck und sprach seinen Tagesrapport in den Aufzeich-
ner. Er brach ab, stand auf und überließ mir fünf schlaffe Finger. Ich bekam einen Sessel zugewiesen. Er räusperte sich und sah mich an.
„M 95, Commander?“
„Ich habe es soeben erst erfahren.“
„Ich weiß. Ich hätte Sie verständigen sollen.“
„Er war nur ein Muster. Richtig?“
Professor Jago schnippte ein unsichtbares Staubkörnchen vom Schreibdeck.
„Der Verlust an sich ist zu bedauern. Ein Muster der Achtziger-Serie einzubüßen, wäre mir lieber gewesen. Aber die Ersatzfrage ist schon geklärt.“
Ich verstand nicht, was er meinte, und er sah es mir an.
„Sie brauchen sich darüber nicht den Kopf zu zerbrechen, Commander“, sagte er. „Wir haben eine Lösung gefunden, die am ICP vorbeigeht. Mit anderen Worten, wir verzichten auf ein neues Muster und ersetzen nur den Zwilling. Alle genetischen Anweisungen gehen direkt an Mutterleib II auf dem Cunningham .“ Professor Jago sah auf die Uhr und legte die Stirn in Falten. „Ihnen erwachsen also keinerlei Probleme. Das war’s doch, was Sie wissen wollten.“
Falls ich ihm erwidert hätte, daß es wirklich nicht das war, was zu hören ich gehofft hatte: er hätte es nicht verstanden.
„Wenn es Ihnen recht ist, Professor“, gab ich zurück, lasse ich heute den Unterricht ausfallen.“
Er beschäftigte sich mit seinen Aufzeichnungen.
„Sie sind der Ausbilder“, sagte er, „und für das ICP verantwortlich. Wenn Sie einen Anlaß sehen, den Unterricht ausfallen zu lassen, dann tun Sie das. Ich selbst sehe diesen Anlaß nicht.“
„Immerhin“, erwiderte ich, „war M 95 einer von uns.“
Er blickte auf.
„Er war ein austauschbares Muster“, belehrte er mich, „nichts sonst. Vielleicht wird es Sie befriedigen zu hören: der Ersatz wird besser sein. Wir haben durch diesen Unfall dazugelernt. Der neue Z 95 wird aus einer veränderten genetischen Verbindung hervorgehen.“
Es sprach von seinen Experimenten, als ginge es darin um Mäuse. Vielleicht war er der Ansicht, mein Interesse geweckt zu haben, denn er fügte hinzu:
„Unser Endziel ist der unzerstörbare Astralid - Zellgewebe, das sich im Fall einer gewaltsamen Beschädigung von selbst erneuert. Dank M 95 sind wir auf diesem Weg ein gutes Stück vorangekommen.“
Das Gespräch blieb für mich enttäuschend. Ich verabschiedete mich. Professor Jago blickte plötzlich fragend.
„Noch eins, Commander! Wie haben Ihre… äh… Schüler die Nachricht aufgenommen?“
„Sehr sachlich“, antwortete ich.
Er nickte befriedigt.
„Sehr gut.“
Wir beide hatten nicht viel miteinander gemeinsam, aber wahrscheinlich mußte man in seinem Beruf so sein, wie er war, um es zu etwas zu bringen. Ich fühlte mich von ihm abgestoßen, aber zugleich erlag ich doch immer wieder der
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