Weltraumpartisanen 27: Pandora-Zwischenfall
ich.
„Aus reinem Egoismus!“ erklärte er. „Ein Mann weniger im Team, so funktioniert ihre Denkweise, bedeutet für die anderen ein Mehr an Arbeit.“
„Das ist doch nur eine Vermutung, Doktor.“
Seine Augen blickten auf einmal müde. Ich spürte seine Enttäuschung. Es war ihm nicht gelungen, mich zu überzeugen.
„Es ist keine Vermutung“, antwortete er schließlich mit brüchiger Stimme. „Es ist Programm. Professor Jago selbst hat den genetischen Bauplan erarbeitet. Was Sie für eine brüderliche Tat gehalten haben, entsprang in Wirklichkeit reinem Zweckdenken.“
Ähnliches war mir schon durch den Sinn gegangen. Ich weigerte mich, diesem Gedanken Raum zu geben. Hatte mich M 87 nicht soeben noch dankbar angestrahlt? Man durfte von diesen rasch gereiften Retortenkindern nicht zu viel erwarten.
„Hören Sie“, gab ich zurück, „auch Adam und Eva haben nicht gleich mit Messer und Gabel gegessen! Ich werde mit Professor Jago reden. Möglicherweise hat er den Faktor Erziehung nicht hoch genug bewertet.“
Ich sah es seinem Blick an, was er von meinem Vorschlag hielt. Dr. Benzinger war der Fachmann. Er war mit den Mustern schon vertraut gewesen, als sie noch Inhalt von Reagenzgläsern gewesen waren.
„Glauben Sie mir, Commander: Ich verstehe Ihren Standpunkt. Sie haben viel Zeit und viel Arbeitskraft in die Ausbildung der Muster investiert - um nicht zu sagen: sehr viel Liebe. Aber man muß den Dingen ins Auge sehen.“
Er wartete auf einen Einwand. Ich schwieg. Was er zuletzt gesagt hatte, traf zu. Was mich zwang, mich immer wieder schützend vor meine Zöglinge zu stellen, war mehr als nur der Gedanke an vergeudete Zeit und Arbeitskraft. Dr. Benzinger hatte den Nagel auf den Kopf getroffen.
Er hob eine Hand.
„Das Projekt, Commander, beginnt zu einer öffentlichen Gefahr zu werden. Wir züchten asoziale Intelligenzbestien - Monster. Der Himmel sei uns normalen Sterblichen gnädig, wenn sich diese Brut über die ganze Milchstraße ausbreitet.“
Das Schreiben an die aufsichtführende Kommission enthielt die dringende Bitte, für einen sofortigen Abbruch des Projekts Astralid Sorge zu tragen. Außer der Unterschrift von Dr. Benzinger trug es die Unterschriften von Captain Mboya und Gregor Chesterfield.
Ich schob ihm die Folie zu.
„Wenn Sie das abschicken, Doktor“, sagte ich unverblümt, „werden Sie sich einen anderen Beruf suchen müssen.“
Er seufzte, steckte das Schreiben ein und verließ mich.
Mir fiel ein, daß Olga Orlow, seine Assistentin, nicht mit unterschrieben hatte.
12. Auszug aus Martin Seebecks „Pandora-Report“
In Metropolis war die aufsichtführende Kommission zu einer außerordentlichen Sitzung zusammengetreten. Der Antrag hierzu war von der Weltwacht gestellt und von der ORA unterstützt worden, die, wie man weiß, ein Tochterunternehmen der VEGA ist. Man kann auch sagen, daß John Harris, der einarmige Direktor der VEGA, dem von Gerlinde Tuborg gestellten Antrag mit seiner Autorität das nötige Gewicht verlieh.
Harris war alles andere als ein wankelmütiger Mensch. Die Angriffe durch gewisse Medien, denen sich das Projekt Astralid seit geraumer Zeit ausgesetzt sah, hatten ihn stets kalt gelassen. Doch Dr. Benzingers Appell ließ sich nicht einfach vom Tisch wischen. Die Sache mußte geklärt werden.
Harris gehörte der Kommission nicht an, aber als Chef der ORA, die die Plattform in das gemeinschaftliche Unternehmen eingebracht hatte, mochte sein Wort - so oder so - den Ausschlag geben. Das Projekt Astralid stand auf der Kippe.
Professor Pallasch war diesmal lediglich als Gast geladen. Obwohl er bemüht war, sich seine Erregung nicht anmerken zu lassen, war seine Nervosität nicht zu übersehen. Als Gerlinde Tuborg eintrat und ihren Platz einnahm, würdigte er sie keines Blickes.
Es war der 2. Dezember, und das Projekt Astralid stand unmittelbar vor seinem erfolgreichen Abschluß. Nur noch eine Woche - und die Abnabelung der Zwillinge konnte stattfinden.
Die Abnabelung mußte stattfinden, denn allmählich wurde die Entfernung zu groß für den kommunikativen Computerverbund von Mutterleib I und Mutterleib II.
Eine Woche noch, dachte Professor Pallasch, eine Woche: sieben Tage… Und er dachte auch: Man sollte dieser Weltwacht-Tante den Mund stopfen! Ohne sie hätte es mit der Kommission nicht den geringsten Ärger gegeben.
Der Tag war stürmisch. Draußen tobte die atlantische Brandung. Harris mußte lauter als gewöhnlich sprechen, um sich
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