Weltraumschwimmer
er.
„Stimmt“, erwiderte Maytig sanft. „Und genausowenig wie du nein sagen kannst, kann es Johnny.“ Sie erhob sich und alle anderen mit ihr.
„Aber jemand muß mir erklären, wie ich Johnny finden kann“, bat Pat.
„Ich bringe dich zu ihm“, versicherte ihm Maytig. „Er ist unter dem Ross-Schelf am Südpol. Ich habe meinen Viersitzer hier. Damit können wir ihn und den Jungen hierherbringen.“
Wie konnte sie nur so felsenfest überzeugt sein, daß Johnny sie zurückbegleiten würde? Aber Pat kam nicht dazu, sie zu fragen, denn alle drängten zum Aufbruch. Zehn Minuten später befand er sich bereits in Maytigs Boot.
Trotz der zweihundert Knoten, die es schaffte, brauchten sie fünf Tage, ehe sie das Packeis erreichten, unter dem Johnny und sein Sohn sich aufhielten. Einmal, bei Kap Horn, hatten sie das Gefühl gehabt, wie es nur den Seegeborenen eigen war, daß sie verfolgt wurden. Aber obwohl sie sogar auftauchten, entdeckten sie nichts, und nach einer Weile verriet auch ihr ungewöhnlicher Sinn nichts mehr.
Zehn Stunden später, als sie das Packeis erreicht hatten, murmelte Maytig. „Jemand kommt uns entgegen.“ Sie verringerte die Geschwindigkeit des Viersitzers.
„Johnny?“ fragte Pat und beneidete sie um ihre scharfen Sinne.
„Ich glaube nicht …“ Sie hielt abrupt inne. Ein dunkler Schatten von der doppelten Länge ihres Bootes tauchte aus der Tiefe auf. Es war ein Mörderwalbulle. Die dunklen, intelligenten Augen und der scheinbar immer grinsende Rachen glitten kaum einen halben Meter entfernt am durchsichtigen Verdeck des Bootes vorbei. Pat griff automatisch nach dem Sonargewehr in der Cockpithalterung. „Nein“, wehrte Maytig ab. „Das ist der Mörderwal, der Johnnys Jungen gehört.“
„Ihm gehört?“ Pat starrte ungläubig auf den gewaltigen Wal. „Aus einem wilden Mörder läßt sich doch kein Haustier oder Seefreund machen.“
„Tomi Joya hat es jedenfalls fertiggebracht. Ah, da ist er selbst.“ Die kleine Gestalt in der schwarzen Kaltwasserhaut winkte ihnen zu, sie einzulassen. Maytig öffnete einen Teil des Verdecks und ließ den Jungen durch die Magnethülle.
„Ich bin Tomi Joya – ich erinnere mich an dich, Pat“, sagte er mit der Direktheit des Seevolks. Dann wandte er sich an Maytig, die sich zu ihm umgedreht hatte. „Ich glaube nicht, daß ich dich kenne.“
„Ich bin Maytig Marieanna. Wo ist Johnny, dein Vater?“
„Im Bergheim. Ich weise euch den Weg. Ihr müßt jetzt tauchen, und dann das Boot im Berg anlegen. Wir schwimmen den Tunnel hoch.“ Er blickte Pat an. „Du kommst also endlich, um meinen Vater zu holen. Das ist gut.“
„Oh?“ murmelte Pat. „Woher weißt du, weshalb wir hier sind? Und weshalb hältst du es für gut?“ Er sprach barscher, als er beabsichtigte. Tomi konnte nicht wissen, wie sehr er seinem Vater ähnlich sah – so wie Pat sich an ihn aus ihrer gemeinsamen Kindheit in der See erinnerte.
„Du hättest keinen anderen Grund hierherzukommen, als ihn zu holen“, sagte der Junge mit erstaunlicher Ruhe und Sicherheit. „Und es ist gut, weil es Zeit ist. Er sitzt schon zu lange hier herum.“ Dann musterte er Maytig mit fast brutaler Direktheit, unter der sie sich charakterlich nackt vorkam.
Nachdem sie das Boot angelegt hatten, tauchten sie den fast schachtähnlichen Tunnel hoch und stiegen aus dem Wasser. Vor ihnen saß eine dunkle, reglose Gestalt auf einem Seeschlitten. Tomi trat zur Lichtkontrollbox. Sonnengleiche Helligkeit durchflutete das Innere des Bergheims. Die Gestalt auf dem Schlitten hob den Kopf. Johnny lächelte seine Besucher an und stand auf.
„Hallo, Pat“, sagte er erfreut, als hätte er seinen Vetter gestern und nicht vor sechs Jahren zum letztenmal gesehen. Dann glitt sein Blick zu Maytig, und sein Lächeln schwand.
„Hallo, Johnny“, erwiderte Pat seinen Gruß. Aber Johnny hörte ihn nicht. Seine Augen hingen wie festgefroren an denen des Mädchens, und er wußte plötzlich, daß das erste unvorhergesehene Riff in seinem sorgfältig berechneten Kurs vor ihm lag.
Er spürte – etwas, das es bei den Landern mit ihren abgestumpften Sinnen kaum noch gab – die absolute Anziehung zu einem Menschen des anderen Geschlechts. Einmal zuvor hatte Johnny diesen – Schock, ja, so etwas Ähnliches war es, bereits erlebt. Damals, als er Sara Light, Tomis Mutter zum erstenmal begegnet war. Er hatte nicht erwartet, ihn ein zweites Mal zu erleben. Aber es hatte nicht nur ihn getroffen, sondern ganz
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