Weltraumschwimmer
kamen nun unterhalb von ihm mit unvorstellbarer Geschwindigkeit herbei. Der Augenblick der Entscheidung war gekommen. Das Gesicht von Tomis verstorbener Mutter schob sich vor sein inneres Auge, und gleichzeitig sah er das kausale Muster, das ihm die Möglichkeiten der Zukunft zeigte, wie sie auf dieser Entscheidung beruhten. Sein Herz schlug heftig. Instinktiv griff er um sich, wie er es im Meer getan hätte, um den singenden Strom, auf dem er reiste, zu fühlen, damit er sich vergewissern konnte, daß es so richtig war. Und die Antwort, die in ihm erschallte, war beruhigend.
„Geh!“ rief Johnny.
Fast in derselben Sekunde verschwanden gleichzeitig der Junge und der Schwimmer. Johnnys neuer, innerer Wahrnehmungssinn sah sie wie ein rötliches Licht eintauchen – wie das sanfte Flammen der glühenden Straße, auf der Johnny selbst sich diese ganze Zeit bewegt hatte.
Und dann war nichts mehr als die Leere des Nichts und die Sterne. Johnny hing allein im Raum. Genauso plötzlich wie sein Sinn für die Raumstraßen gekommen war, verschwand er – verschwand, wie Tomi und der Schwimmer verschwunden waren. Schweigen und Dunkelheit herrschten um ihn.
Eine Schwere und Stumpfheit erfüllte Johnny, dämpfte seine Sinne, machte ihn lustlos. Es war sicher dem Gefühl ähnlich, das ein Adler empfinden mußte, der nach einem herrlichen Flug durch die grenzenlose Freiheit zur Erde zurückgezerrt und angekettet wurde.
Er sprach ins Funkgerät seiner Maske. „Leif? Haben Sie alles aufgenommen?“
Leifs Stimme drang von Statik gestört und schwach, wie aus ungeheuerlicher Entfernung, aus Johnnys Empfänger. „Wir haben mitgehört. Tomi ist also eingetaucht?“
„Ja“, erwiderte Johnny dumpf. „Ich bin allein, irgendwo hier draußen. Berechnen Sie bitte meine Position durch den Transmitter und holen Sie mich ab.“
„Wir kommen mit dem Schiff. Dann braucht Tomi nur zu der Stelle zurückkehren, wo er eingetaucht ist, und findet uns schon vor.“ Es dauerte nicht lange, und das Schiff kam neben ihm an. Er aktivierte seinen Ionenantrieb und begab sich zur Schleuse. Danach kam das Warten. Die endlosen Minuten wurden zu Stunden, und immer noch kam Tomi nicht zurück. Allmählich würde sein für fünf Stunden ausreichender Sauerstoffvorrat zu Ende gehen. Johnny ließ keinen Blick vom Resonanzschirm, auf dem ein Leuchtpunkt aufflammen würde, sobald Tomis Magnethülle irgendwo innerhalb eines Umkreises von hundertfünfzigtausend Kilometer um das Schiff auftauchen würde.
Er spürte eine Berührung auf seiner Schulter und blickte hoch.
„Pat ruft über Orbitrelais vom Unterhaltungssitz in Australien.“
Johnny erhob sich schwer und folgte Maytig in den Kommunikationsraum. Pats schmales Gesicht blickte aus dem Schirm, auf den ein Laserstrahl das Bild in Sekunden von der Erde übertrug.
„Hallo, Pat“, murmelte Johnny.
„Tut mir leid, daß ich dich gerade jetzt stören muß, Johnny. Ich habe gehört, daß du auf Tomis Rückkehr wartest.“ Er verständigte sich mit dem Zungen- und Nagelklicken des Delphinkodes. Seine Augen blickten Johnny voll Verständnis an. „Aber du wirst hier gebraucht. Benutze den Kode, wenn du antwortest. Es ist unmöglich, die Übertragung geheimzuhalten.“
„Was ist los?“ klickte Johnny.
„Stuve hat seinen Zug gemacht. Er hat den Rest der Barone eines Komplotts beschuldigt, die Welt in private Königreiche aufzuteilen.“
„Kein genialer Zug“, erwiderte Johnny. „Ich kann mir nicht vorstellen, daß deshalb große Aufregung unter den Landern herrscht. Selbst wenn die Barone tatsächlich eigene Königreiche geplant hatten, wie wollen sie die Menschen an Land dazu bringen, ihre Untertanen zu werden? Jeder von ihnen hat doch nur eine Handvoll Anhänger, die den Landern ihren Willen aufzwingen könnten.“
„Nicht, so wie Stuve es hinstellt“, klickte Pat. „Sie haben uns!“ Sein Gesicht wirkte jetzt grimmig. „Stuve behauptet, daß mehr als eine Milliarde Seegeborene im Meer leben, und daß wir uns seit sechs Jahren rüsten und Kämpfer ausbilden, um das Land zu erobern. Nach seinen Worten hat Ebberly einen Vertrag mit uns abgeschlossen. Wir sollen die Polizeimacht in den neuen Königreichen der Barone übernehmen, und die Lander sollen als Leibeigene behandelt werden. Und das Land glaubt ihm! Es herrscht Panik unter einer Hälfte, und die andere ist dem Aufstand nahe, während die Barone sich in Ebberlys Nordsitz verschanzt haben. Ebberly möchte, daß du sofort
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