Weltraumzirkus d'Alembert - 1-5 - Die Geheim-Agenten des Imperiums
Claude und Jeanne ihre Stürmer gezogen hatten, und steckte dann ihre eigene Waffe weg. Aus ihrem Ausrüstungsbeutel holte sie eine mit einer farblosen Flüssigkeit gefüllte Spraydose. Gleichmütig erklärte sie: »Das ist Nitrobarb. Sie kennen das Zeug natürlich und wissen, was es bewirkt. Sie kennen einige Antworten, die ich brauche, und ich gedenke, sie mir zu verschaffen.«
Der Herzog kannte Nitrobarb sehr gut. Er wußte, daß bei Anwendung bei Gesunden die Sterblichkeitsrate fünfzig Prozent betrug, und wußte auch, daß – falls er die Droge selbst überlebteer nie die Auswirkungen der Antworten überleben würde, die er unter ihrem Einfluß von sich gab. »Das ist ungesetzlich«, protestierte er.
Luise starrte ihn unbewegt an. »Hochverrat auch, Euer Gnaden, und genau davon ist die Rede, oder nicht?«
Als sich Luise dem Herrscher von Kolokov um einen Schritt näherte, meldete sich der andere Gefangene. »Bitte, verabreichen Sie ihm diese Injektion nicht. Der Herzog ist kränklich, sein Kreislauf würde die Droge nicht vertragen. Als sein Arzt sage ich Ihnen, daß er innerhalb von Minuten tot wäre und Sie von ihm nichts erfahren würden.«
Luise drehte sich zu ihm um. »Sie müssen Dr. Rustin sein.« Sie überlegte. Es war bekannt, daß Herzog Fjodor seit seiner Kindheit praktisch am Rande des Grabes lebte. Allein die Tatsache, daß sein Körper all die Stützmechanismen brauchte, war ein Beweis seiner schwachen Konstitution. Nitrobarb war tatsächlich sehr stark, und der Doktor hatte nicht unrecht. Sie hätte einen Herzog ins Jenseits befördert und nichts damit gewonnen.
Aber was blieb ihr schon übrig? Ihre Mission würde ein Fehlschlag bleiben, wenn sie nicht mehr über die Zeitbombe, die gegen die Prinzessin eingesetzt werden sollte, in Erfahrung brachte. Eine andere Verhörmethode wäre nicht so wirkungsvoll, weil der Herzog unter weniger eindringlicher Befragung vielleicht zu Lügen Zuflucht nehmen würde.
Sie mußte also weiterbluffen, in der Hoffnung, auf etwas Wichtiges zu stoßen. »Aber Doktor«, fuhr sie fort, »auf Hochverrat steht ohnehin Todesstrafe. Ist doch egal, ob er jetzt stirbt oder später!« Sie ging einen weiteren Schritt auf den Herzog zu.
Der Herzog war immer blaß, und sein Kreislauf war so beschaffen, daß er nie in Schweiß ausbrach. Wäre dies nicht der Fall gewesen, so wäre er jetzt aschfahl und schweißnaß geworden. Solange seine Erinnerung zurückreichte, hatte er mit dem Tod auf du und du gelebt. Seine ersten Erinnerungen galten Krankenhäusern, Krankenbetten und Ärzten mit Begräbnismienen. Der Gedanke an den Übergang ins Unbekannte hatte ihm immer Angst eingejagt, und er hatte gegen den Tod mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln angekämpft. Und er hatte gewonnen. Er hatte den Kampf gegen den Tod aufgenommen und hatte gesiegt. Auch wenn er aussah wie ein Monstrum, auch wenn er verachtet und verhöhnt wurde, er hatte gewonnen und überlebt. Und er würde nicht zulassen, daß ihn jemand tötete, auch wenn das bedeutete, daß er seinen besten Freund verraten mußte.
»Er!« rief er und deutete auf Dr. Rustin. »Verhören Sie ihn. Er weiß so viel wie ich, er war bei allem dabei. Er hat es zum Funktionieren gebracht.«
Luise war nicht wenig erstaunt, daß ihr Bluff sich so bezahlt gemacht hatte. Dr. Rustin war als des Herzogs ständiger Begleiter allgemein bekannt. Es war nicht unwahrscheinlich, daß er auch bei dem Verrat mitgemacht hatte. »Einen Versuch ist es vermutlich wert«, sagte sie laut. »Wenn ich von ihm keine Antworten bekomme, kommen Sie als nächster dran.«
Dr. Rustin kroch aus Angst in sich zusammen, als sie näher kam. Schließlich war er nicht mehr der jüngste, und Nitrobarb konnte ihn ebensogut töten, wenn er auch für sein Alter noch in guter Verfassung war. Aber Luise wußte, daß das Schicksal des Imperiums von diesem Verhör abhing.
Aber es gab keinen Ausweg, und nach wenigen Minuten befand sich Dr. Rustin in einer Benommenheit, die zwanzig Minuten andauern würde – das war das erste Stadium der Drogenwirkung. Während dieser Zeitspanne wurde es im Raum so still wie auf einem mitternächtlichen Friedhof. Herzog Fjodor, der noch immer um sein künstlich verlängertes Leben bangte, hockte schlapp in einer Ecke und fragte sich, wo er einen Fehler gemacht hatte. Die drei d'Alemberts sprachen kein Wort miteinander. Die Lage war zu kritisch, und sie wollten jeden Fehler vermeiden, der eventuell ihre Identität hätte preisgeben
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