Wem die Stunde schlaegt
Frau.
»Nein«, sagte Pablo. » Du wirst sie durch Brückensprengen retten.«
»Geht!« sagte Robert Jordan zu Anselmo und Rafael. »Wenn ihr gegessen habt.«
»Wir gehen jetzt«, sagte der Alte, und die beiden standen auf.
Robert Jordan fühlte eine Hand auf seiner Schulter. Es war Maria. »Du solltest etwas essen«, sagte sie und ließ die Hand auf seiner Schulter ruhen. »Iß ordentlich, damit dein Magen noch mehr Gerüchte verdauen kann.«
»Die Gerüchte haben mir den Appetit verdorben.« »Nein. Das darf nicht sein. Iß jetzt, bevor neue Gerüchte kommen.« Sie stellte die Schüssel vor ihn hin.
»Mach dich nicht über mich lustig!« sagte Fernando zu ihr. »Ich bin dein guter Freund, Maria.«
»Ich mache mich nicht über dic h lustig, Fernando. Ich scherze nur mit ihm. Er soll essen, sonst wird er hungrig sein.«
»Wir wollen alle essen«, sagte Fernando. »Pilar, was ist geschehen, daß man uns nichts vorsetzt?«
»Nichts, Mann«, sagte Pablos Frau und füllte seine Schüssel mit dem Fleischragout. »Iß. Ja, essen kannst du. Iß jetzt!«
»Das ist lieb von dir, Pilar«, sagte Fernando mit unerschütterlicher Würde.
»Danke«, sagte die Frau. »Vielen Dank und nochmals vielen Dank.«
»Bist du böse auf mich?« fragte Fernando.
»Nein. Iß. Los, iß!«
»Ja«, sagte Fernando. »Danke.«
Robert Jordan sah Maria an, und wieder begannen ihre Schultern zu zittern, und er blickte weg. Fernando aß gemächlich, mit stolzer und würdiger Miene. Nicht einmal der riesige Löffel, den er benützte, nicht einmal das Gesabber der Soße in seinen Mundwinkeln konnte seiner Würde Abbruch tun.
»Schmeckt dir das Essen?« fragte ihn Pablos Frau.
»Ja, Pilar«, sagte er mit vollem Munde. »Es ist dasselbe wie immer.«
Robert Jordan fühlte Marias Hand auf seinem Arm, und er fühlte, wie ihre Finger vor Vergnügen seinen Arm drückten.
»Und deshalb schmeckt es dir?« fragte die Frau Fernando. »Ja«, fuhr sie fort. »Ich verstehe. Das Ragout wie immer. Como siempre. Im Norden steht es schlimm wie immer. Eine Offensive hier – wie immer. Soldaten kommen, um uns zu jagen – wie immer. Dich könnte man als ein Monument benützen für das Wie immer.« »Aber die beiden letzten Geschichten sind bloße Gerüchte, Pilar.«
»Spanien«, sagte Pablos Frau in erbittertem Ton. Dann wandte sie sich an Robert Jordan. »Gibt es auch in anderen Ländern solche Menschen?«
»Es gibt kein zweites Land wie Spanien«, sagte Robert Jordan höflich.
»Du hast recht«, sagte Fernando. »Auf der ganzen Welt gibt es kein zweites Land wie Spanien.«
»Hast du schon mal ein anderes Land gesehen?« fragte ihn die Frau.
»Nein«, sagte Fernando. »Und ich will auch gar nicht.«
»Siehst du!« sagte Pablos Frau zu Robert Jordan.
»Fernandito«, sagte Maria, »erzähl uns, wie du nach Valencia kamst.«
»Valencia hat mir nicht gefallen.«
»Warum?« fragte Maria und drückte wieder Robert Jordans Arm. »Warum hat es dir nicht gefallen?«
»Die Leute dort hatten keine Manieren, und ich konnte sie nicht verstehen. Immerzu schreien sie ché, ché.«
»Haben sie dich verstanden?« fragte Maria.
»Sie haben so getan, als ob sie mich nicht verstünden.«
»Und was hast du in Valencia gemacht?«
»Ich bin wieder weggegangen und habe nicht einmal das Meer gesehen«, sagte Fernando. »Die Leute gefielen mir nicht.«
»Schau, daß du hier rauskommst«, sagte Pablos Frau. »Raus mit dir, bevor mir übel wird. Nie im Leben habe ich mich so gut amüsiert wie in Valencia. ¡ Vamos! Valencia. Rede mir nicht von Valencia!« »Und was hast du dort gemacht?« fragte Maria.
Pablos Frau setzte sich zu Tisch mit einer Tasse Kaffee, einem Stück Brot und einer Schüssel Ragout.
»¿ Qué? Was wir dort gemacht haben? Finito hatte einen Vertrag auf drei Stierkämpfe während der Feria. Noch nie habe ich so viele Menschen an einem Ort gesehen. Noch nie habe ich so volle Cafés gesehen. Stundenlang konnte man keinen Platz bekommen, und in die Straßenbahn reinzukommen war ganz unmöglich. In Valencia ist Tag und Nacht Betrieb.«
»Aber was hast du denn dort gemacht?« fragte Maria.
»Alles mögliche«, erwiderte die Frau. »Wir gingen an den Strand und lagen im Wasser, und da kamen Ochsen und schleppten Segelboote ans Ufer. Sie wurden ins Wasser getrieben, bis sie schwimmen mußten, und dann an die Boote geschirrt, und wenn sie dann wieder Grund unter die Hufe bekamen, stolperten sie den Sand hinauf.
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