Wem die Stunde schlaegt
»Glaubst du, sie haben die Pferde gesehen?« fragte Pablo.
»Die suchen nicht nach Pferden«, sagte Robert Jordan.
»Aber haben sie sie gesehen?«
»Nein, wenn sie nicht den Auftrag hatten, nach ihnen zu suchen.«
»Konnten sie sie sehen?«
»Wahrscheinlich nicht«, sagte Robert Jordan. »Wenn nicht die Sonne auf die Bäume schien.«
»Sie scheint sehr früh auf die Bäume«, sagte Pablo kläglich.
»Ich glaube, sie haben an anderes zu denken als an deine Gäule«, sagte Robert Jordan.
Acht Minuten waren vergangen, seit er den Zeiger der Stoppuhr ausgelöst hatte, und noch immer war kein Bombenlärm zu hören.
»Was machst du mit der Uhr?« fragte die Frau.
»Ich horche, wohin sie geflogen sind.«
»Oh«, sagte sie. Als zehn Minuten vergangen waren, steckte er die Uhr weg. Jetzt würde die Entfernung schon zu groß sein, um etwas zu hören, auch wenn man eine Minute für die Wanderung des Schalls einrechnete. Er sagte zu Anselmo: »Ich möchte mit dir sprechen.«
Anselmo trat aus dem Eingang der Höhle hervor, sie gingen ein Stück weit in den Wald hinein und blieben neben einer Kiefer stehen. »¿Qué tal?« fragte Robert Jordan. »Wie geht's?«
»Gut.«
»Hast du gegessen?«
»Nein. Keiner hat gegessen.«
»Dann iß und nimm dir etwas zum Mittagessen mit. Du sollst die Straße beobachten. Notiere alles, was die Straße entlangkommt, in beiden Richtungen.«
»Ich kann nicht schreiben.«
»Das ist nicht nötig.« Robert Jordan riß zwei Blätter aus seinem Notizbuch und schnitt mit dem Taschenmesser ein kurzes Stück von seinem Bleistift ab. »Nimm das und mach ein Zeichen für Tanks – so.« Er zeichnete einen schiefen Tank. »Und dann ein Zeichen für jeden einzelnen, und wenn es vier sind, dann machst du einen Strich durch die vier, für den fünften.«
»So pflegen wir zu zählen.«
»Gut. Dann mach ein weiteres Zeichen, zwei Räder und eine Kiste, für die Lastwagen. Wenn sie leer sind, mach einen Kreis. Wenn sie mit Soldaten besetzt sind, mach einen geraden Strich. Ein Zeichen für Geschütze. Große so. Kleine so. Ein Zeichen für Autos. Ein Zeichen für Ambulanzen. So – zwei Räder und eine Kiste mit einem Kreuz darauf. Ein Zeichen für Infanterie nach Kompanien, so, siehst du? Ein kleines Viereck und dann ein Strich daneben. Ein Zeichen für die Kavallerie, so, siehst du? Wie ein Pferd. Eine Schachtel mit vier Beinen. Das ist eine Abteilung von zwanzig Pferden. Du verstehst. Für jede Abteilung ein Strich.«
»Ja. Das ist sehr sinnreich.«
»Und nun!« Jordan zeichnete zwei große Räder, von Kreisen umgeben, und einen kurzen Strich, der ein Kanonenrohr darstellen sollte. »Das sind Tankabwehrgeschütze. Sie haben Gummireifen. Das ist das Zeichen für sie. Und das sind Flugzeugabwehrgeschütze.« Zwei Räder mit einem schräg nach oben gerichteten Geschützrohr. »Die sollst du auch verzeichnen. Verstehst du? Hast du solche Geschütze schon gesehen?« »Ja«, sagte Anselmo. »Natürlich. Es ist alles klar.«
»Nimm den Zigeuner mit, damit er weiß, wohin du dich postierst, damit man dich ablösen kann. Such dir einen Platz aus, der sicher ist, nicht allzu nah, einen Platz, von dem aus du bequem und genau die Straße beobachten kannst. Bleib dort, bis du abgelöst wirst.«
»Ich verstehe.«
»Gut. Und daß ich, wenn du zurückkommst, genau weiß, was sich auf der Straße bewegt! Ein Blatt für die eine Richtung, das zweite für die andere.« Sie gingen zu der Höhle hinüber.
»Schick mir Rafael her«, sagte Robert Jordan. Er blickte Anselmo nach, wie er in der Höhle verschwand und die Decke wieder hinter ihm herabfiel. Dann kam der Zigeuner herausgeschlendert, sich mit der Hand den Mund abwischend.
»¿Qué tal?« sagte der Zigeuner. »Hast du dich gestern nacht amüsiert?«
»Ich habe geschlafen.«
»Nicht übel«, sagte der Zigeuner grinsend. »Hast du eine Zigarette?«
»Hör zu«, sagte Robert Jordan und tastete in der Tasche nach den Zigaretten. »Du sollst Anselmo zu seinem Beobachtungsplatz begleiten. Dort wirst du ihn verlassen und dir den Platz genau merken, damit du mich oder den Mann, der ihn ablösen soll, hinführen kannst. Dann gehst du und beobachtest die Sägemühle und stellst fest, ob sich dort etwas verändert hat.«
»Was verändert?«
»Wieviel Mann liegen jetzt dort?«
»Acht. Das letzte, was ich weiß.«
»Sieh nach, wie viele jetzt dort sind. Und sieh nach, in welchen Abständen die Wachtposten an der Brücke
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