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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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abgelöst werden.«
 »In welchen Abständen?«
 »Wie viele Stunden es dauert, bis der Wachtposten abgelöst wird, und um welche Zeit die Ablösung erfolgt.«
 »Ich habe keine Uhr.«
 »Nimm meine.« Er machte sie von der Kette los.
 »Was für eine Uhr!« sagte Rafael bewundernd. »Schau, wie kompliziert. So eine Uhr müßte eigentlich lesen und schreiben können. Schau, was für komplizierte Ziffern. Das ist die Uhr aller Uhren.«
 »Mach keine Dummheiten damit«, sagte Robert Jordan. »Kannst du die Zeit unterscheiden?«
 »Warum nicht? Zwölf Uhr Mittag – Hunger. Zwölf Uhr Mitternacht – Schlaf. Sechs Uhr morgens – Hunger. Sechs Uhr abends besoffen. Wenn man Glück hat. Zehn Uhr nachts –«
 »Halt den Mund!« sagte Robert Jordan. »Du sollst nicht immer den Clown spielen. Du sollst auch den Wachtposten an der großen Brücke und den Posten an der Straße unterhalb der Brücke kontrollieren, genauso wie den Posten und die Wache an der Sägemühle und an der kleinen Brücke.«
 »Das ist viel Arbeit«, sagte der Zigeuner lächelnd. »Bist du sicher, daß du nicht einen anderen lieber schicken würdest als mich?«
 »Nein, Rafael. Es ist sehr wichtig. Du mußt es ordentlich machen und gut aufpassen, daß man dich nicht sieht.«
 »Ich werde schon aufpassen, daß man mich nicht sieht!« sagte der Zigeuner. »Warum sagst du mir, ich soll aufpassen? Glaubst du, ich will mich abschießen lassen?«
 »Nimm die Dinge ein wenig ernster«, sagte Robert Jordan. »Es handelt sich hier um ernste Dinge.«
 »Du verlangst von mir, daß ich die Dinge ernst nehme? Wo du dich gestern abend so benommen hast? Wo du einen Menschen hättest töten sollen und statt dessen ganz was anderes gemacht hast? Du hättest einen töten sollen und nicht einen machen! Wo wir gerade den Himmel voller Flugzeuge gesehen haben, in einer Menge, die genügen müßte, um uns alle umzubringen, bis zurück zu unseren Großvätern und bis zu allen ungeborenen Enkeln, einschließlich der Katzen, Ziegen und Wanzen. Flugzeuge, die einen Lärm machen, daß die Milch in den Brüsten deiner Mutter gerinnt, wie sie den Himmel verdunkeln und wie die Löwen brüllen, und da verlangst du von mir, ich soll's ernst nehmen. Ich nehm's schon viel zu ernst.«
 »Gut«, sagte Robert Jordan lachend und legte die Hand auf die Schulter des Zigeuners. »Dann nimm es also nicht zu ernst. Beende dein Frühstück und geh.«
 »Und du?« fragte der Zigeuner. »Was machst du?«
 »Ich werde El Sordo besuchen.«
 »Sehr gut möglich, daß du in der ganzen Gegend keinen Menschen mehr antriffst«, sagte der Zigeuner. »Viele werden heute früh ordentlich und dick geschwitzt haben, als die Flugzeuge kamen.«
 »Diese Flieger haben anderes vor, als Guerillas zu jagen.«
 »Ja«, sagte der Zigeuner. Dann schüttelte er den Kopf. »Aber wenn sie erst einmal Lust kriegen!«
  »¡Qué va!« sagte Robert Jordan. »Das sind die besten deutschen leichten Bomber, die schickt man nicht hinter Zigeunern her.«
 »Vor den Bomben graut mir«, sagte Rafael. »Ja, vor so was fürchte ich mich.«
 »Sie wollen einen der Flugplätze bombardieren«, sagte Robert Jordan, während sie in die Höhle gingen. »Das scheint mir ziemlich sicher.«
 »Was sagst du?« fragte Pablos Weib. Sie schenkte ihm eine Tasse Kaffee ein und reichte ihm eine Dose kondensierte Milch.
 »Milch? Was für ein Luxus!«
 »Es ist alles vorhanden«, sagte sie. »Und neuerdings auch sehr viel Angst. Was, sagtest du, haben sie vor?«
 Robert Jordan träufelte aus dem Schlitz der Dose ein wenig von der dicken Milch in den Kaffee, streifte die Dose am Rand der Tasse ab und rührte den Kaffee um, bis er eine hellbraune Färbung bekam.
 »Ich glaube, sie wollen einen unserer Flugplätze bombardieren. Escorial und Colmenar vielleicht. Oder alle drei.«
 »Sie sollen nur recht weit fliegen und sich hier nicht mehr blicken lassen«, sagte Pablo.
 »Und was haben sie hier zu suchen?« fragte die Frau. »Was führt sie hierher? Noch nie haben wir solche Flugzeuge gesehen. Oder in solcher Menge. Bereiten sie einen Angriff vor?«
 »War gestern nacht viel Verkehr auf der Straße?« fragte Robert Jordan. Das Mädchen Maria stand dicht neben ihm, aber er blickte sie nicht an.
 »Du«, sagte die Frau, »Fernando! Du warst gestern abend in La Granja. Hat sich dort was gerührt?«
 »Nichts«, antwortete der Mann, den Robert Jordan bisher noch nicht gesehen hatte. Er war etwa 35 Jahre alt, untersetzt,

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