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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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habt ihr miteinander geschlafen«, sagte die Frau. »Sei nur recht vorsichtig mit ihr.«
 »Und wenn sie ein Kind kriegt?«
 »Das schadet nichts«, sagte die Frau. »Das ist nicht so schlimm.«
 »Ist das hier der richtige Ort dafür?«
 »Sie wird nicht hier bleiben. Du wirst sie mitnehmen.«
 »Kann ich dorthin eine Frau mitnehmen?«
 »Wer weiß? Dorthin kannst du vielleicht zwei mitnehmen.«
 »Sprich nicht so!«
 »Hör zu!« sagte die Frau. »Ich bin nicht feige. Aber ich sehe alles sehr klar am frühen Morgen, und ich glaube, es gibt viele, die wir kennen und die jetzt noch am Leben sind und die den nächsten Sonntag nicht erleben werden.«
 »Was ist heute für ein Tag?«
 »Sonntag.«
  »¡Qué va!« sagte Robert Jordan. »Bis zum nächsten Sonntag ist es noch lange hin. Wenn wir den Donnerstag erleben, sind wir fein heraus. Aber ich höre dich nicht gerne so reden.«
 »Jeder Mensch muß mit irgendeinem anderen Menschen reden«, sagte die Frau. »Früher hatten wir die Religion und noch sonst allerlei Unsinn. Jetzt muß jeder jemanden haben, mit dem er offen reden kann, denn ob man auch noch so tapfer ist, man wird mit der Zeit recht einsam.«
 »Wir sind nicht einsam. Wir gehören alle zusammen.«
 »Der Anblick dieser Maschinen nimmt einen mit«, sagte die Frau. » Nichts sind wir gegen solche Maschinen!«
 »Und doch können wir sie besiegen.«
 »Schau«, sagte die Frau, »ich gestehe dir meine Traurigkeit, aber du sollst nicht denken, daß es mir an Entschlossenheit mangelt. Meine Entschlossenheit ist nicht kleiner geworden.«
 »Die Traurigkeit wird verschwinden, wenn die Sonne höher steigt. Wie ein Nebel.«
 »Sicherlich«, sagte die Frau. »Wenn du meinst! Vielleicht kommt das davon, daß wir so viel dummes Zeug über Valencia geschwatzt haben. Und diese Niete von einem Mann, der jetzt zu seinen Gäulen gegangen ist! Meine Geschichte hat ihn sehr gekränkt. Ihn umbringen – ja. Ihn beschimpfen – ja. Aber ihn kränken – nein!«
 »Wie bist du zu ihm gekommen?«
 »Wie kommt ein Mensch zum andern? In den ersten Tagen der Bewegung, und auch vorher, da war er ein Kerl. Ein ernst zu nehmender Mensch. Aber jetzt ist er erledigt. Man hat den Zapfen entfernt, und der ganze Wein ist ausgelaufen.« »Er gefällt mir nicht.«
 »Und du gefällst ihm nicht, mit Recht. Gestern nacht habe ich mit ihm geschlafen.« Sie lächelte jetzt und schüttelte den Kopf. » Vamos a ver«, sagte sie. »Ich sagte zu ihm: ›Pablo, warum hast du den Fremden nicht getötet?‹
 ›Er ist ein braver Junge, Pilar‹, sagte er, ›er ist ein braver Junge.‹
 Und da sagte ich: ›Du verstehst jetzt, daß ich hier befehle?‹
 ›Ja, Pilar, ja‹, sagte er, und mitten in der Nacht höre ich ihn aufwachen und höre, wie er weint. Er weint auf eine kurze und häßliche Art, wie ein Mensch weint, wenn es so aussieht, als ob ein Tier in ihm säße und ihn schüttelte...
 ›Was geschieht mit dir, Pablo?‹ sagte ich zu ihm und packte ihn und hielt ihn fest.
 ›Nichts, Pilar, nichts.‹
 ›Doch, etwas geschieht mit dir.‹
 ›Die Leute‹, sagte er. ›Die Art, wie sie mich im Stich gelassen haben. Die gente .‹
 ›Ja, aber sie stehen zu mir, sagte ich, ›und ich bin deine Frau.‹
 ›Pilar‹, sagte er, ›denk an den Zug.‹ Dann sagte er: ›Gott steh dir bei, Pilar.‹
 ›Warum redest du von Gott?‹ sagte ich zu ihm. ›Was ist das für eine Art zu reden?‹
 ›Ja‹, sagte er. ›Gott und die Virgen.‹
 › Qué va, Gott und die Virgen!‹ sagte ich zu ihm. ›Ist das eine Art zu reden?‹
 ›Ich habe Angst vor dem Sterben, Pilar‹, sagte er. ›¡ Tengo miedo de morir! Verstehst du das?‹
 ›Dann raus aus dem Bett!‹ sagte ich zu ihm. ›Es ist kein Platz in einem Bett für dich und mich und deine Furcht dazu.‹ Dann schämte er sich und war still, und ich schlief ein, aber, Mann, es ist vorbei mit ihm.«
 Robert Jordan schwieg.
 »Mein ganzes Leben lang hat mich ab und zu diese Traurigkeit überfallen«, sagte die Frau, »aber es ist nicht wie die Traurigkeit Pablos. Meine Entschlossenheit leidet nicht darunter.«
 »Das glaube ich dir.«
 »Vielleicht ist es wie die Monatszeiten der Frau«, sagte sie. »Vielleicht ist es gar nichts.« Sie hielt inne und fuhr dann fort: »Ich mache mir große Illusionen über die Republik. Ich glaube fest an die Republik, ich glaube an sie so eifrig, wie die frommen Leute an die Mysterien glauben.«
 »Das glaube ich dir.«
 »Und

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