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Wen der Rabe ruft (German Edition)

Wen der Rabe ruft (German Edition)

Titel: Wen der Rabe ruft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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klang ein wenig tiefer, als er antwortete: »Ich fürchte, Sie verstehen nicht ganz, aus welchem Grund Mr   Lynchs weiterer Verbleib an der Schule gefährdet ist. Er widersetzt sich offen allen Regeln der Einrichtung und begegnet den Lehrkräften mit unverhohlener Verachtung. Wir haben ihm angesichts seiner schwierigen persönlichen Umstände schon erheblichen Freiraum gelassen, aber er scheint vergessen zu haben, dass es ein Privileg ist, die Aglionby Academy besuchen zu dürfen, und keine lästige Pflicht. Sein Schulverweis tritt am Montag in Kraft.«
    Gansey beugte sich vor und legte die Stirn auf das Lenkrad. Ronan, Ronan, warum …
    Er sagte: »Ich weiß, dass er es vergeigt hat. Ich weiß, dass Sie ihn schon lange hätten rauswerfen müssen. Geben Sie mir nur noch bis zum Ende des Schuljahrs. Ich kann ihn durch die Abschlussprüfungen bringen.«
    »Er geht doch nicht einmal in den Unterricht, Mr   Gansey.«
    »Ich kann ihn durch die Abschlussprüfungen bringen.«
    Eine Weile herrschte Schweigen zwischen ihnen. Im Hintergrund hörte Gansey einen Fernseher laufen.
    Schließlich sagte Pinter: »Er muss in sämtlichen Prüfungen mindestens eine Zwei schaffen. Und sich bis dahin den Regeln entsprechend verhalten, ansonsten wird er sofort vor die Tür gesetzt. Das ist seine letzte Chance.«
    Gansey richtete sich auf und stieß einen erleichterten Seufzer aus. »Vielen Dank, Sir.«
    »Und vergessen Sie nicht, welches Interesse Ihr Vater an unserer Abteilung für nautische Geschichte gezeigt hat. Ich werde persönlich ein Auge darauf haben.«
    Und Ronan meinte, von Pinter nichts lernen zu können. Gansey lächelte grimmig das Armaturenbrett an, obwohl ihm selten weniger nach Lachen zumute gewesen war. »Schiffe haben schon immer eine wichtige Rolle in unserem Leben gespielt. Vielen Dank, dass Sie so spät überhaupt noch ans Telefon gegangen sind.«
    »Ein schönes Wochenende, Mr   Gansey«, erwiderte Pinter.
    Gansey drückte auf AUFLEGEN und warf das Handy auf die Ablage des Armaturenbretts. Er schloss die Augen und zischte einen Fluch hervor. Gansey hatte Ronan irgendwie durch die Zwischenprüfungen geschleift. Das würde ihm doch sicherlich noch einmal gelingen. Das musste es einfach.
    Der Peugeot schaukelte, als sich jemand auf den Beifahrersitz sinken ließ. Einen atemlosen Augenblick lang dachte Gansey: »Noah?«
    Dann aber sagte sein Vater: »Na, hat dich diese französische Schönheit verführt? Lässt deinen Proletenschlitten ziemlich plump aussehen, was?«
    Gansey öffnete die Augen. Neben ihm fuhr sein Vater mit der Handfläche über das Armaturenbrett und untersuchte sie dann auf Staub. Er musterte Gansey mit zusammengekniffenen Augen, als könnte er den körperlichen und geistigen Zustand seines Sohnes durch simples Betrachten bestimmen.
    »Sehr schönes Auto«, stimmte Gansey ihm zu. »Aber passt nicht so richtig zu mir.«
    »Ich bin ja überrascht, dass du es mit deiner Rostlaube überhaupt noch bis hierher geschafft hast«, sagte sein Vater. »Warum nimmst du für die Rückfahrt nicht den Suburban?«
    »Der Camaro ist völlig okay.«
    »Er stinkt nach Benzin.«
    Gansey konnte sich genau vorstellen, wie sein Vater um den vor der Garage geparkten Camaro herumschlich, wie er, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, nach austretenden Flüssigkeiten schnüffelte und abgeplatzten Lack registrierte.
    »Das Auto ist in gutem Zustand, Dad. Mustergültig . «
    »Das bezweifle ich«, erwiderte sein Vater gutmütig. Richard Gansey II. zeigte sich selten anders. »Dein Vater ist ein zauberhafter Mann«, sagten die Leute stets zu Gansey. »Immer ein Lächeln auf den Lippen. Durch nichts aus der Fassung zu bringen. Und noch dazu ein echtes Original.« Der letzte Satz war seiner Sammelleidenschaft für seltsame alte Dinge geschuldet und der Tatsache, dass er in jedes Loch in der Wand spähen musste und Aufzeichnungen darüber machte, was an jedem vierzehnten April seit Anbeginn der Zeitrechnung passiert war. »Hast du irgendeine Ahnung, warum deine Schwester dreitausend Dollar für diesen grässlichen Bronzeteller ausgegeben hat? Ist sie wütend auf deine Mutter? Oder soll das eine Art Scherz sein?«
    »Sie dachte eben, er würde Mom gefallen.«
    »Aber er ist nicht aus Glas.«
    Gansey zuckte mit den Schultern. »Ich habe sie gewarnt.«
    Einen Moment lang saßen sie einfach nur da. Dann fragte sein Vater: »Willst du ihn mal anlassen?«
    Gansey war es egal, aber da der Schlüssel schon steckte, drehte er ihn

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