Wen der Rabe ruft (German Edition)
Adam und Noah mit der Diskussion allein gelassen, ob sie ihren Lateinlehrer offiziell wegen des Mordes an Noah anzeigen konnten, wenn die Polizei diese Verbindung nicht schon selbst hergestellt hatte. Fünf Minuten nachdem sie zu Hause angekommen war, hatte Adam angerufen und ihr erzählt, dass Noah direkt nach ihrem Aufbruch wieder verschwunden war.
Also stimmte es. Sie war tatsächlich der Tisch bei Starbucks, an dem jeder sitzen wollte.
»Ich schätze, wir haben eine Stunde«, sagte Calla, als Blue die Dachbodentür öffnete. »Sie müssten so gegen elf wieder da sein. Lass mich vorgehen, nur zur Sicherheit.«
Blue zog eine Augenbraue hoch. »Was denkst du denn, was sie hier oben versteckt?«
»Ich weiß nicht.«
»Frettchen?«
»Sei nicht albern.«
»Zauberer?«
Calla schob sich an Blue vorbei und stieg die Treppe hoch. Das Licht der einzelnen Glühbirne auf dem Dachboden reichte nicht besonders weit auf die Stufen hinunter. »Schon wahrscheinlicher. Oh Mann, wie das hier riecht.«
»Das sind die Frettchen.«
Calla warf ihr von ihrem erhöhten Standpunkt auf der Treppe einen Blick zu, der, wie Blue vermutete, weit gefährlicher war als alles, was sie auf dem Dachboden finden würden. Doch Calla hatte recht. Die Luft, die ihnen entgegenwaberte, war in der Tat alles andere als angenehm. Blue konnte den Geruch nicht richtig einordnen, obwohl er etwas Vertrautes an sich hatte – verfaulende Zwiebeln, ungewaschene Füße?
»Riecht nach Schwefel«, sagte Blue. »Oder einer Leiche.«
Wenn sie an die gruselige Stimme dachte, die erst vor Kurzem aus Neeves Mund gekommen war, hätte sie beides nicht sonderlich überrascht.
»Riecht nach Asafoetida«, korrigierte Calla grimmig.
»Was ist das denn?«
»Etwas, das in Currygerichten lecker und in der Hexerei äußerst nützlich ist.«
Blue versuchte, durch den Mund zu atmen. Es war schwer vorstellbar, dass etwas, das so überzeugend nach ungewaschenen Leichenfüßen roch, in irgendwelchen Gerichten lecker schmecken sollte. »Und was, meinst du, macht Neeve damit?«
Calla hatte das obere Ende der Treppe erreicht.
»Kein Curry jedenfalls«, antwortete sie.
Als auch Blue oben anlangte, sah sie, dass Neeve den Dachboden ziemlich umgestaltet hatte. Eine mit farbenfrohen Überwürfen bedeckte Matratze lag auf den blanken Bodendielen. Überall im Raum standen grüppchenweise Kerzen in verschiedenen Größen, dunkle Schalen und Gläser mit Wasser. Leuchtend blaues Klebeband formte zwischen einigen der Objekte Muster auf dem Boden. Zu Blues Füßen lag ein halb verkohlter Pflanzenstängel auf einem Teller voller Asche. In einer der schmalen Gauben standen zwei mannshohe Spiegel einander gegenüber und warfen ihre Reflexionen bis in die Unendlichkeit hin und her.
Außerdem war es kalt. Nach diesem warmen Tag hätte es auf dem Dachboden nicht kalt sein dürfen.
»Nichts anfassen«, ermahnte Calla Blue. Beim Gedanken daran, warum sie überhaupt hier waren, kam Blue das ziemlich ironisch vor.
Blue fasste nichts an, stattdessen ging sie weiter ins Zimmer und betrachtete die kleine Statue einer Frau, die Augen im Bauch hatte. Der ganze Raum verursachte ihr eine Gänsehaut. »Die muss hier oben aber jede Menge Curry kochen.«
Hinter ihnen knarzte eine Treppenstufe und Calla und Blue fuhren vor Schreck zusammen.
»Darf ich raufkommen?«, fragte Persephone. Die Frage war überflüssig, denn sie war längst oben. In einem Spitzenkleid, das Blue ihr genäht hatte, stand sie auf dem Treppenabsatz. Das Haar hatte sie sich streng hochgebunden, was bedeutete, dass sie nicht davor zurückscheute, sich die Hände schmutzig zu machen.
»Persephone«, donnerte Calla. Sie hatte ihren Schock überwunden und war nun hauptsächlich wütend, dass sie sich hatte schocken lassen. »Du musst dir wirklich mal angewöhnen, Geräusche zu machen, wenn du ein Zimmer betrittst.«
»Ich habe die Stufe knarzen lassen«, verteidigte sich Persephone. »Maura hat gesagt, sie sind gegen Mitternacht zurück und bis dahin sollt ihr fertig sein.«
»Sie weiß Bescheid?«, fragten Calla und Blue im Chor.
Persephone ging in die Hocke, um eine schwarze Ledermaske mit langem, gekrümmtem Schnabel zu betrachten. »Ihr habt doch wohl nicht gedacht, dass sie euch das mit dem Zwergenfilm abgenommen hat?«
Calla und Blue wechselten einen Blick. Blue überlegte, was das alles zu bedeuten hatte: Offenbar wollte Maura genauso gern wissen wie sie, was Neeve im Schilde führte.
»Bevor wir hier loslegen«,
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