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Wen der Rabe ruft (German Edition)

Wen der Rabe ruft (German Edition)

Titel: Wen der Rabe ruft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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überhaupt wichtig genug wäre.
    Aber so konnte Gansey nun mal einfach nicht sein.
    Plötzlich erbebte unter ihm der Camaro. Gansey nahm den Fuß vom Gas und starrte auf das schlecht beleuchtete Armaturenbrett, aber dort kam ihm nichts ungewöhnlich vor. Einen Moment später schüttelte sich der Wagen wieder und Gansey wusste, dass es vorbei war.
    Er hatte gerade noch genug Zeit, einen einigermaßen ebenen Platz zum Anhalten zu finden, als auch schon der Motor ausging, genau wie damals am Markustag. Während er langsam neben der leeren Straße ausrollte, versuchte er, neu zu zünden, aber nichts passierte.
    Gansey gestattete sich den bescheidenen Luxus eines einzigen, dahingeraunten Schimpfworts, des schlimmsten, dessen er mächtig war, dann stieg er aus dem Auto und klappte widerwillig die Motorhaube auf. Die einfachsten Grundlagen hatte Adam ihm beigebracht: Zündkerzen austauschen, Öl wechseln. Wenn sich irgendwo ein Riemen gelöst oder ein zerfetztes Schlauchende aus den Eingeweiden des Wagens gelugt hätte, hätte er damit vielleicht auch noch etwas anfangen können. Doch der Motor lag vor ihm wie ein Mysterium.
    Er zog sein Handy aus der hinteren Hosentasche und sah, dass er nur einen schwachen Balken Empfang hatte. Genug, um ihn zu verhöhnen, aber nicht ausreichend, um tatsächlich jemanden anzurufen. Gansey wanderte ein paarmal um das Auto herum, das Telefon hoch über den Kopf gestreckt, als wollte er die Freiheitsstatue imitieren. Nichts.
    Unwillig erinnerte er sich an den Vorschlag seines Vaters, für die Rückfahrt den Suburban zu nehmen.
    Er war sich nicht sicher, wie viel von der noch verbleibenden Strecke er seit der Tankstelle und der Ampel zurückgelegt hatte, aber er hatte das Gefühl, sich einigermaßen nahe am Stadtrand von Henrietta zu befinden. Wenn er von hier aus weiter in Richtung des Zentrums ging, hatte er vielleicht besseren Handyempfang, bevor er wieder an der Tankstelle anlangte. Andererseits sollte er vielleicht einfach bleiben, wo er war. Manchmal, wenn Pig liegen blieb, ließ er sich nach einer Weile, wenn der Motor etwas abgekühlt war, wieder starten.
    Aber er war zu unruhig, um nur so dazusitzen.
    Er hatte jedoch kaum das Auto abgeschlossen, als ihn die Scheinwerfer eines anderen Wagens blendeten, der schließlich hinter dem Camaro hielt. Mit abgewandtem Gesicht hörte Gansey, wie eine Tür zugeknallt wurde und sich auf dem losen Schotter am Straßenrand knirschend Schritte näherten.
    Einen Wimpernschlag lang erschien ihm die Gestalt vollkommen fremd, ein Homunculus, kein Mann. Dann erkannte Gansey ihn.
    »Mr   Whelk?«, sagte er.
    Barrington Whelk trug eine dunkle Jacke und Laufschuhe, auf seinen übergroßen Gesichtszügen lag ein seltsam angestrengter Ausdruck. Es war, als wollte er etwas fragen, fände aber nicht die richtigen Worte.
    Und er erwiderte auch nicht »Autopanne?« oder »Mr   Gansey?« oder irgendetwas anderes, von dem Gansey vielleicht erwartet hätte, dass er es sagen würde.
    Stattdessen leckte er sich über die Lippen und sagte: »Ich will dein Buch. Und dein Handy gibst du mir besser auch.«
    Gansey glaubte, sich verhört zu haben. Er fragte: »Wie bitte?«
    Whelk zog eine kleine, unglaublich echt aussehende Pistole aus der Tasche seiner dunklen Jacke. »Das Notizbuch, das du immer mit in der Schule hast. Und dein Handy. Mach schon.«
    Es war erstaunlich schwierig, die Tatsache zu verarbeiten, dass hier eine Pistole im Spiel war. Der Sprung von dem vertrauten Barrington Whelk, der auf unterhaltsame Art gruselig wirkte, über den man mit Ronan und Adam Witze reißen konnte, zur Realität des Barrington Whelk, der nun eine Pistole auf Gansey gerichtet hielt, fiel nicht leicht.
    »Tja.« Gansey blinzelte. »In Ordnung.«
    Etwas anderes schien es nicht zu sagen zu geben. Er zog sein Leben beinahe all seinen Besitztümern vor, vielleicht mit Ausnahme des Camaros, aber nach dem hatte Whelk ja nicht gefragt. Gansey gab ihm sein Handy.
    »Mein Notizbuch liegt im Auto«, erklärte er.
    »Dann hol’s raus.« Whelk hielt Gansey die Pistole unter die Nase.
    Gansey schloss den Wagen auf.
    Als er Whelk das letzte Mal begegnet war, hatte er einen Test über die u-Deklination lateinischer Substantive abgegeben.
    »Denk gar nicht erst daran, in dem Ding abzuhauen«, sagte Whelk.
    Es war Gansey nicht mal in den Sinn gekommen, dass der Camaro, wenn er nicht gerade liegen geblieben wäre, eine gute Fluchtmöglichkeit geboten hätte.
    »Und ich will wissen, wo du diese Woche

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