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Wen der Rabe ruft (German Edition)

Wen der Rabe ruft (German Edition)

Titel: Wen der Rabe ruft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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Blue sie zurückgelassen hatte, nur Ganseys Augen wirkten irgendwie anders. Eine Weile versuchte sie die Ursache der Veränderung zu ergründen und kam zu dem Schluss, dass es eine Kombination zweier Faktoren war – die Augen selbst leuchteten stärker, während die Haut um sie herum angespannter wirkte.
    Gansey hatte den Arm auf dem Tisch vor sich ausgestreckt, sein Daumen war geschient.
    »Könnte mir vielleicht jemand dieses Krankenhausschmuckstück abschneiden?«, bat er. In seiner betont lässigen Frage schwang etwas Heldenhaftes und zugleich Hektisches mit. »Damit fühle ich mich wie ein Invalide. Bitte.«
    Persephone reichte ihm eine Schere und bemerkte: »Blue, ich habe dir doch gesagt, dass du den Daumen auf keinen Fall in die Faust stecken darfst, wenn du jemanden schlägst.«
    »Ja, aber du hast mir nicht gesagt, dass ich es ihm sagen soll«, erwiderte Blue.
    »Okay«, sagte Maura, die in der Küchentür stand, und massierte sich mit den Fingern die Stirn. »Hier ist ja ganz offensichtlich einiges passiert. Dich hat gerade jemand umzubringen versucht.« Das war an Gansey gerichtet. » Ihr zwei sagt, euer anderer Freund ist von demselben Mann umgebracht worden, der gerade versucht hat, ihn umzubringen.« Das war an Ronan und Adam gerichtet. » Ihr drei behauptet, Neeve hätte mit dem Mann telefoniert, der diesen anderen Freund umgebracht und gerade Selbiges bei Gansey versucht hat.« Das ging an Blue, Persephone und Calla. »Und du sagst, dass du seit diesem Telefongespräch nichts mehr mit dem Mann zu tun gehabt hast.«
    Der letzte Satz war für Neeve bestimmt. Obwohl Maura sie alle angesprochen hatte, sah nun jeder Neeve an.
    »Und du hast ihnen erlaubt, in meinen Sachen rumzuschnüffeln«, gab Neeve zurück.
     Blue hatte erwartet, dass ihrer Mutter diese Anschuldigung unangenehm wäre, doch Maura schien im Gegenteil sogar noch ein paar Zentimeter größer zu werden. »Und ganz offensichtlich habe ich gut daran getan. Ich fasse es nicht, dass du mir nicht die Wahrheit gesagt hast. Wenn du unbedingt den Leichenweg erkunden wolltest, warum hast du mich dann nicht einfach gefragt? Woher willst du wissen, dass ich Nein gesagt hätte? Und stattdessen tust du so, als hättest du ein ernsthaftes Interesse daran …«
    Sie brach ab und sah Blue an.
    »Butternüsschen zu finden«, ergänzte Blue.
    »Oh Gott«, stieß Maura hervor. »Calla, täusche ich mich oder geht das auf dein Konto?«
    »Nein«, sagte Blue. Um weiterzusprechen, musste sie sich alle Mühe geben, die Tatsache zu verdrängen, dass die Jungen hier waren und sie anstarrten. »Ich finde, ich habe auch ein Recht darauf, wütend zu sein. Warum hast du mir nicht einfach gesagt, dass du meinen Vater kaum kanntest und mich bekommen hast, ohne mit ihm verheiratet zu sein? Warum machst du so ein Riesengeheimnis daraus?«
    »Wer sagt denn, dass ich ihn kaum kannte?«, fragte Maura mit hohler Stimme. Ihr Gesichtsausdruck gefiel Blue gar nicht; er wirkte eine Spur zu emotional.
    Also sah sie stattdessen Persephone an. »Woher wolltest du wissen, dass ich mit der Wahrheit nicht zufrieden gewesen wäre? Mir doch egal, ob mein Vater ein Versager namens Butternüsschen war. Das hätte doch nichts daran geändert, wie es jetzt ist.«
    »Der hieß doch wohl nicht wirklich Butternüsschen, oder?«, fragte Gansey Adam leise.
    Neeves Stimme, sanft wie immer, drang durch die Küche. »Ich glaube, das wird gerade viel zu vereinfacht dargestellt. Ich habe wirklich nach Blues Vater gesucht. Das war eben nur nicht alles.«
    »Und warum dann die Geheimnistuerei?«, fauchte Calla.
    Neeve senkte den Blick betont auffällig auf Ganseys geschienten Daumen. »Weil diese Art von Wissen Gefahr nach sich zieht. Sicherlich spürt ihr anderen den Sog der Verschwiegenheit genauso, sonst hättet ihr Blue ja alles gesagt, was ihr wisst.«
    »Blue ist nun mal keine Seherin«, entgegnete Maura knapp. »Das meiste von dem, was wir nicht an sie weitergegeben haben, waren Dinge, die nur in einer Sitzung oder bei einer Begehung des Leichenwegs Bedeutung gehabt hätten.«
    »Aber mir haben Sie es auch nicht gesagt«, schaltete sich Gansey ein. Mit zusammengezogenen Augenbrauen blickte er auf seinen Daumen. Plötzlich begriff Blue, was an ihm anders war: Er trug eine Brille. Schlicht, mit dünnem Drahtgestell, von der Art, die einem normalerweise erst dann auffiel, wenn man darauf hingewiesen wurde. Sie ließ ihn älter und ernsthafter wirken oder vielleicht sah sein Gesicht im Moment auch

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