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Wen der Rabe ruft (German Edition)

Wen der Rabe ruft (German Edition)

Titel: Wen der Rabe ruft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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das Lenkrad. Irgendetwas schien ihn zu beschäftigen, aber bei Ronan ließ sich schwer sagen, ob es immer noch Whelk war oder etwas ganz anderes. »Kein Problem, Mann. Bis morgen.«
    Seufzend stieg Adam aus. Er klopfte auf das Dach des BMWs und Ronan fuhr langsam an. Über ihm strahlten grausam klar die Sterne.
    Als Adam die drei Stufen zum Haus hochstieg, öffnete sich die Tür und Licht ergoss sich von drinnen über seine Beine und Füße. Sein Vater stand im Türrahmen und starrte vernichtend auf seinen Sohn herab.
    »Hi, Dad«, sagte Adam.
    »Komm mir nicht mit ›Hi, Dad‹«, entgegnete sein Vater. Er war anscheinend jetzt schon auf hundertachtzig. Obwohl er gar nicht rauchte, roch er nach Zigaretten. »Um Mitternacht nach Hause kommen, so siehst du aus. Hast versucht, vor deinen Lügen wegzulaufen, was?«
    Vorsichtig fragte Adam: »Was?«
    »Deine Mutter war heute in deinem Zimmer und da hat sie was gefunden. Was könnte das wohl sein?«
    Adams Knie verwandelten sich langsam, aber sicher in Pudding. Er bemühte sich stets, den Großteil seines Aglionby-Lebens vor seinem Vater verborgen zu halten, und ihm fielen gleich mehrere Bestandteile dieses Lebens ein, die Robert Parrish gar nicht gefallen würden. Und nicht genau zu wissen, was seine Mutter gefunden hatte, war noch schlimmer. Er konnte seinem Vater nicht in die Augen sehen.
    Robert Parrish packte Adam beim Kragen und zwang ihn, das Kinn zu heben. »Guck mich an, wenn ich mit dir rede. Eine Gehaltsabrechnung. Aus der Fabrik.«
    Oh.
    Nachdenken, Adam. Was muss er jetzt hören?
    »Ich verstehe nicht, warum du so wütend bist«, sagte Adam. Er versuchte, seine Stimme möglichst ruhig zu halten, doch nachdem klar war, dass es um Geld ging, hatte er keine Ahnung, wie er aus der Sache rauskommen sollte.
    Sein Vater zerrte Adam so nah an sich heran, dass ihre Gesichter kaum zwei Zentimeter voneinander entfernt waren und Adam seine Worte nicht nur hörte, sondern auch zu spüren bekam. »Du Lügner hast deiner Mutter nicht gesagt, wie viel du verdienst.«
    »Ich habe nicht gelogen.«
    Das war ein Fehler, Adam wusste es, sobald die Worte seine Lippen verlassen hatten.
    »Und jetzt lügst du mir auch noch ins Gesicht!«, brüllte sein Vater.
    Obwohl Adam wusste, was kommen würde, war sein Arm zu langsam, um sein Gesicht zu schützen.
    Als die Hand seines Vaters seine Wange traf, war es mehr Geräusch als Gefühl, ein Knall, als träfe in der Ferne ein Hammer auf einen Nagel. Adam strauchelte und versuchte sich zu fangen, doch sein Fuß verfehlte die Kante der Treppenstufe und sein Vater ließ ihn fallen.
    Als Adams Kopf seitlich auf das Geländer prallte, explodierte ein Feuerwerk aus Lichtern hinter seinen Lidern. In einem einzigen, berstenden Moment enthüllte sich ihm, aus wie vielen Nuancen sich Weiß zusammensetzte.
    In seinem Schädel rauschte es vor Schmerz.
    Dann lag er am Fuß der Treppe, ohne sich an die Sekunde zwischen seinem Aufprall am Geländer und seiner Landung auf dem Boden zu erinnern. Sein Gesicht war staubverkrustet, selbst sein Mund war voll davon. Adam musste kurz überlegen, wie noch mal Atmen funktionierte und Augenöffnen und dann wieder Atmen.
    »Ach, komm«, sagte sein Vater entnervt. »Steh auf, na los.«
    Langsam stemmte Adam sich auf seine Hände und Knie hoch. Dann ließ er sich nach hinten sinken und hockte eine Weile bloß da, die Knie gespreizt auf dem Boden, während seine Ohren schrillten und schrillten. Er wartete darauf, dass sein Hörvermögen voll zurückkehrte. Doch da war nichts als dieses gellende Geräusch.
    Auf halbem Weg die Zufahrt hinunter sah er die Bremslichter von Ronans Wagen.
    Hau einfach ab, Ronan.
    »Deine Spielchen kannst du dir sparen!«, schnauzte Robert Parrish. »So leicht kommst du mir nicht davon, nur weil du dich auf den Boden wirfst. Glaubst du, ich merk’s nicht, wenn du mir was vormachst, Adam? Ich bin doch kein Idiot. Ich fass es nicht, dass du so viel Geld verdienst und das alles für diese verdammte Schule verschleuderst! Wo du genau weißt, wie oft wir nicht mal unsere Rechnungen für Strom oder fürs Telefon bezahlen können!«
    Sein Vater wurde gerade erst warm, das sah Adam an dem Schwung, mit dem er die Treppe herunterkam, an der Anspannung in seinem Körper. Adam nahm die Ellbogen an die Rippen, zog den Kopf ein und beschwor seine Ohren, sich zu beruhigen. Er musste sich in seinen Vater hineinversetzen, etwas finden, womit er die Situation entschärfen konnte.
    Aber er bekam einfach

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