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Wen der Rabe ruft (German Edition)

Wen der Rabe ruft (German Edition)

Titel: Wen der Rabe ruft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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nebenbei noch drei andere Jobs, von denen der wichtigste der im Wohnwagenwerk am Stadtrand von Henrietta war.
    »Ich kann dir doch unter die Arme greifen, bis du was gefunden hast.«
    Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus, während Adam sich weiter den Schmutz von den Fingern rieb. Er sah nicht zu Gansey auf. Dieses Gespräch hatten sie schon öfter geführt und nun, während sie schwiegen, spielten sich in ihren Köpfen die tagelangen Diskussionen von Neuem ab. Die Worte waren mittlerweile so oft ausgesprochen worden, dass es nicht mehr nötig war.
    Erfolg bedeutete Adam nichts, solange er ihn nicht allein erringen konnte.
    Gansey gab sich alle Mühe, seine Stimme ruhig zu halten, aber ein wenig Hitzigkeit schlich sich doch hinein. »Du bist also zu stolz, um zu gehen? Der Kerl bringt dich irgendwann noch um.«
    »Du guckst zu viele Polizeiserien.«
    »Ich gucke die Nachrichten, Adam«, fauchte Gansey. »Warum lässt du dir nicht von Ronan das Boxen beibringen? Das hat er dir schon zweimal angeboten. Er meint es ernst.«
    Mit großer Sorgfalt legte Adam den schmierigen Lumpen zusammen und hängte ihn über einen Werkzeugkasten. Der Carport beherbergte jede Menge Zeug. Nagelneue Werkzeuggestelle, Kalender mit halb nackten Frauen, Hochleistungs-Luftkompressoren und weitere Dinge, die Mr   Parrish für wichtiger hielt als Adams Schuluniform. »Weil er mich dann wirklich umbringt.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Er hat eine Pistole«, sagte Adam.
    »Mein Gott.«
    Adam legte dem Hund die Hand auf den Kopf – was das Tier beinahe durchdrehen ließ vor Glück – und beugte sich aus dem Carport, um die Zufahrt hinunterzuspähen. Er musste Gansey nicht erklären, wonach er Ausschau hielt.
    »Komm, Adam«, flehte Gansey. Bitte. »Wir kriegen das schon hin.«
    Eine Falte formte sich zwischen Adams Augenbrauen und er blickte Gansey nicht an. Er sah vorbei an dem Doppelwohnwagen im Vordergrund, auf die endlose Wiesenfläche mit ihren Büscheln trockenen Grases. Hier draußen überlebte so vieles, ohne wirklich zu leben. »Das würde bedeuten, dass ich nie wirklich mir selbst gehören würde«, sagte er. »Wenn ich zulasse, dass du mich aushältst, gehöre ich dir. Jetzt gehöre ich ihm, und wenn nicht, dann dir.«
    Adams Worte trafen Gansey härter, als er erwartet hätte. An manchen Tagen war alles, was ihn erdete, das Bewusstsein, dass seine und Adams Freundschaft an einem Ort existierte, auf den Geld keinen Einfluss hatte. Wenn er sich dessen nun plötzlich nicht mehr sicher sein konnte, schmerzte ihn das mehr, als er je zugeben konnte. »So denkst du also von mir?«, fasste er seine Gedanken zusammen.
    »Du weißt nicht, wie das ist, Gansey«, erklärte Adam. »Du weißt nichts über Geld, obwohl du so viel davon hast. Du weißt nicht, wie es die Sicht der Leute auf dich und mich beeinflusst. Als wäre das alles, was sie über uns wissen müssten. Sie würden mich für dein Schoßhündchen halten.«
    Ich bin nichts als mein Geld. Das ist alles, was die Leute in mir sehen, sogar Adam.
    Gansey feuerte zurück: »Meinst du denn, deine tollen Pläne gehen eines Tages auf, wenn du ständig nicht zur Schule oder zur Arbeit gehen kannst, weil du dich von deinem Dad krankenhausreif prügeln lässt? Du bist genauso schlimm wie sie. Du glaubst, du hättest es nicht besser verdient.«
    Ganz unvermittelt fegte Adam eine kleine Schachtel Nägel von dem Sims neben sich. Das Krachen, mit dem sie auf dem Betonboden landete, erschreckte sie beide.
    Adam wandte Gansey den Rücken zu und verschränkte die Arme.
    »Tu nicht so, als wüsstest du irgendetwas darüber«, sagte er. »Komm nicht her und tu so, als hättest du von irgendetwas hier eine Ahnung.«
    Gansey ermahnte sich, besser zu gehen. Den Mund zu halten. Dann aber sagte er: »Dann tu du nicht so, als hättest du irgendetwas, worauf du stolz sein müsstest.«
    Sobald die Worte heraus waren, wusste er, dass sie nicht ganz fair gewesen waren, und selbst wenn sie es gewesen wären, hätte ihm das noch lange nicht das Recht gegeben, sie auszusprechen. Dennoch bereute er nicht, es getan zu haben.
    Er ging zurück zum Camaro und holte sein Handy hervor, um Ronan anzurufen, aber er hatte absolut keinen Empfang, wie so oft in Henrietta. Normalerweise nahm Gansey so etwas als Zeichen dafür, dass irgendetwas Übernatürliches die Energiefelder der Stadt beeinflusste und damit das Handynetz und manchmal selbst die Elektrizität störte.
    Vielleicht, grübelte er diesmal, bedeutete es

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