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Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie

Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie

Titel: Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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späten Stunde herbemüht haben. Ich hätte Sherry oder Whisky da, oder ich könnte Ihnen einen Tee machen.«
    »Nein, danke, das ist wirklich nicht nötig.« Gemma setzte sich auf ihren gewohnten Platz, den Sessel neben Erika, und betrachtete ihre Freundin eingehend. »Sagen Sie mir einfach nur, was passiert ist.«
    Erika ließ sich in ihren eigenen Sessel sinken, und nach der herzlichen Begrüßung schien sie ihre ganze Energie geradezu aufgebraucht zu haben und in sich zusammenzusinken. Sie wirkte zerbrechlich und müde, und auf ihren Wangen breiteten sich ungesunde rote Flecken aus. Mit fahrigen Bewegungen griff sie nach dem aufgeschlagenen Buch auf ihrem Couchtisch und sagte: »Ich komme mir inzwischen ganz albern vor, weil ich Sie angerufen habe, wo doch eigentlich gar nichts … Aber es war ein solcher Schock, und ich konnte nicht …«
    Das Buch fiel ihr aus der Hand und landete mit den aufgefächerten Seiten nach unten auf dem Boden vor Gemmas Füßen. Als sie es aufhob, sah sie, dass es sich nicht um ein Buch handelte, sondern um einen geschmackvoll gestalteten broschierten Katalog des Auktionshauses Harrowby’s. »›Art-déco-Schmuck‹?«, las sie laut vom Einband ab. »Ich verstehe nicht recht.«
    »Nein, natürlich nicht.« Erika schüttelte den Kopf, machte aber keine Anstalten, den Katalog wieder an sich zu nehmen. »Und ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.«
    Gemma saß einfach nur da und hörte bis in die letzte Körperfaser konzentriert zu – eine Kunst, die sie sich bei ihrenVernehmungen angeeignet hatte.
    Nach einer Weile seufzte Erika und sah ihr kurz in die Augen. »Ich spreche nicht oft über diese Dinge. Ein paar meiner Freunde wissen etwas darüber, weil wir einiges gemeinsam erlebt haben … aber trotzdem ist es nicht einfach, nach all
den Jahren.« Ihre Redeweise nahm einen förmlicheren Klang an, als ob ihre deutsche Muttersprache an die Oberfläche ihres Bewusstseins drängte.
    »Sie wissen, dass ich kurz vor Beginn des Krieges von Berlin hierher nach London gekommen bin?«
    »Zusammen mit Ihrem Mann. Ja, das haben Sie mir erzählt«, bestätigte Gemma, wobei ihr klar wurde, dass sie darüber hinaus kaum etwas wusste.
    »Es klingt so einfach, ja?« Erikas Lächeln reichte nicht bis zu ihren Augen, und ihre Finger schienen sich von allein ineinander zu verschränken. »Mein Vater war nach dem Ersten Weltkrieg aus Russland nach Deutschland gekommen«, fuhr sie fort, »wo er mit seiner Braut ein neues Leben anfangen wollte. Sie sehen also, wir sind Flüchtlinge aus Tradition, wie fast alle Juden. Sein Name war Jakob Goldshtein, und er war ein Handwerker, der großes Geschick im Bearbeiten von Metall hatte. Er ging bei einem Goldschmied in die Lehre, und Anfang der Dreißigerjahre hatte er seinem Meister schon den Rang abgelaufen und sich einen Namen gemacht.
    Er liebte den neuen Art-déco-Stil, die Einflüsse der ägyptischen und afrikanischen Kunst – er sagte, dass sie ihn an all die fernen Länder denken ließen, die er nie sehen würde. Er liebte den Kontrast von Silber oder Platin mit Steinen in leuchtenden Farben, aber mehr als alles andere liebte er Diamanten. Er war ein lustiger Mann, mein Vater, und er machte gerne Witze über seinen Namen. Er fand es amüsant, dass er ausschließlich mit silberfarbenen Metallen arbeitete.
    Als die Nazis an die Macht kamen, war meine Mutter bereits tot, und mein Vater hatte sich nicht nur einen guten Ruf, sondern auch Wohlstand erworben. Er nahm Aufträge von der neuen deutschen Elite an, auch wenn das bedeutete, dass er seine wunderschönen Halsketten und Broschen mit Häkchen versehen musste, an denen sie ihre Hakenkreuze aufhängen konnten.« Erikas
Züge waren weicher geworden, während sie über ihrenVater gesprochen hatte, und in ihrer Stimme lag kein Tadel.
    »Er dachte natürlich, dass es nicht von Dauer sein würde, dieses neue Regime, wie es gewöhnlich der Fall war mit solchen Phänomenen. Und so schickte er seine verwöhnte einzige Tochter auf die Universität, und die verliebte sich dort in ihren Professor und heiratete ihn.«
    Erika brach ab. Ihre Hände lagen jetzt reglos in ihrem Schoß, und es wurde ganz still im Zimmer. Keine gedämpften Stimmen aus den Nachbarhäusern waren zu hören, keine Schritte auf der Straße, und Gemma zögerte, obwohl die Frage ihr schon auf der Zunge lag, weil sie sich nicht sicher war, ob sie den Bann damit verstärken oder brechen würde. Schließlich sagte sie ganz leise: »Sie sprechen von

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