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Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Waters
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dem Notar etwa eine Leiche bringen wollten.
    Daraufhin hatten sie meine Fesseln flüchtig geprüft. Doch sie waren keine gemeinen Soldaten, und derlei Täuschungsversuche waren ihnen bekannt. Kein Wunder, dachte ich, wenn sie für den Notar arbeiteten. Sie hatten gewiss schon so manchen um Gnade flehen hören. Nachdem ich diesen Gedanken in ihren harten Gesichtern bestätigt sah, ließ ich davon ab, mich durch Rufen und Betteln weiter zu erniedrigen. Es würde zu nichts führen. Ich versuchte, nicht daran zu denken, was mich erwartete.
    Schließlich wurde ich von dem Lastpferd abgeladen. Sie banden mir die Füße mit Lederriemen zusammen. Da hat mich wohl jemand als gefährlich eingestuft, dachte ich mit grimmiger Befriedigung und fragte mich, ob sie mich auch knebeln würden. Aber das taten sie nicht.
    Nachdem meine Bewacher zufrieden waren, sollte ich zum Pavillon gebracht werden.
    Die ganze Zeit hatte Rufus unruhig dabeigestanden und auf der Unterlippe gekaut. Jetzt wurde er von dem Anführer des Trupps scharf angefahren: »Du kommst mit!«
    Beinahe wäre er zurückgewichen. »Ich? Aber warum?«
    »Weil er es verlangt«, antwortete der Mann schroff. Alle wussten, was Rufus getan hatte, und kein Soldat hat etwas für Verräter übrig.
    Dann gingen wir auf den Pavillon zu: Rufus, der sich unbehaglich umschaute, und ich, gefesselt wie ein Tier und mit einer Schwertspitze im Rücken. Der dunkle Eingang kam mir vor wie der Schlund der Hölle. Es war ein kalter, klarer Tag. Drinnen, zwischen dem dicken Leder der Zeltbahnen, war es düster. In einer Ecke glühten Kohlen in einem Eisenkorb. Es gab einen aufgebockten Tisch und einen Stuhl. Auf diesem Stuhl saß der Notar, reglos wie eine Katze.
    Er saß halb vom Eingang abgewandt. Zwischen seinen langen Fingern hielt er einen Griffel. Die Zeltwache hatte uns angekündigt, doch der Notar setzte einen Augenblick lang seine Arbeit an dem Dokument fort, das vor ihm lag. Dann legte er den Griffel mit pedantischer Sorgfalt in einen Ständer aus geschnitztem Elfenbein, schob langsam den Stuhl zurück und erhob sich.
    Er musterte mich von oben bis unten, besonders die Schnüre und Lederriemen. Paulus trug eine eng anliegende Filzkappe zum Schutz gegen die Kälte und ein langes, weites Gewand aus schwarzer Wolle. Zwar zeigte er kein triumphierendes Lächeln; dennoch sah ich die Genugtuung in seinem grauen Gesicht.
    Sein Blick schwenkte zu Rufus, und ich fühlte, wie er neben mir erschrak. Offensichtlich hatte er mit dem Notar noch nicht persönlich zu tun gehabt.
    »Wo ist der andere?«, fragte Paulus.
    Rufus schluckte hörbar.
    »Es war zu schwierig, sie beide zu schnappen«, antwortete er in flehendem Ton, machte einen Schritt auf Paulus zu und breitete die Hände aus wie ein Bittsteller. »Aber das ist der, den du am dringendsten wolltest … der Mann sagte, dieser sei der Wichtige.«
    Der Notar blickte ihn kalt und abschätzend an, sah seineSchwäche und seine Angst. Das Schweigen zerrte an Rufus’ Nerven. Er setzte zum Sprechen an. »Aber ich …«
    Scharf wie eine Peitsche schnitt der Notar ihm das Wort ab. »Ich habe beide verlangt, doch du bringst mir nur einen! Nun wird der eine genügen müssen. Geh jetzt! Verlass das Lager. Draußen wird man dir Gold geben, oder was immer du willst.«
    Er wartete, bis Rufus davongeeilt war. Dann drehte er sich um. Mit seltsam präzisen Schritten ging er zu dem Feuerkorb mit den glühenden Kohlen. Die Hitze hatte auch das Eisen zum Glühen gebracht.
    Kurz hielt er inne und schien sich die Hände zu wärmen. Dann zog er aus der unteren Hälfte des Korbes, wo die Glut am heißesten war, bedächtig eine Eisenstange heraus und hielt sie in die Höhe. Am einen Ende war sie gebogen wie das Hufmesser des Beschlagmeisters, am anderen Ende befand sich ein abgeschirmter Griff, sodass der Benutzer sich selbst nicht versengte.
    »Hast du gedacht, ich würde es vergessen?«, sagte er und drehte sich zu mir um. »Ich vergesse nichts und niemanden. Meine Feinde entkommen mir nicht.«
    »Ich hatte Besseres im Kopf.«
    »Ach ja, deinen Philosophensohn«, meinte er amüsiert. »Julian. Auch so ein junger Dummkopf, der bald vernichtet wird.«
    Er drehte das Werkzeug hin und her und betrachtete es eingehend wie ein Edelsteinschleifer einen kostbaren Stein.
    »Ich spüre deine Angst«, sagte er mit seiner geschmeidigen Stimme. »Ich kann sie riechen.«
    »Du bist ein Ungeheuer.«
    »Ich bin ein Künstler. Und ich bin mächtig. Weißt du, warum? Aber nein,

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