Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)
in die Berge.«
»Weißt du das genau? Er hat nichts dergleichen erwähnt.«
»Ja, Drusus, es kam überraschend. Ein Befehl von Nevitta. Es ist etwas Dringendes. Er wird ein paar Tage fort sein. Er hat mich gebeten, es dir zu sagen.«
Ich zuckte die Achseln und verfluchte Nevitta im Stillen. »Gut«, sagte ich, »dann muss ich allein gehen.« Ich dankte ihm, dass er es mir ausgerichtet hatte.
Doch anstatt zu gehen, blieb er stehen und wirkte dabei steif und förmlich. Seit dem Morgen in den Thermen hatte er nicht mehr mit mir gesprochen.
Ich legte die Papiere beiseite. »Ist noch etwas?«, fragte ich und klang dabei wohl ziemlich kühl. Deshalb lächelte ich ihn an, um ihm sein Unbehagen zu nehmen.
»Ich habe mir überlegt, dass ich mitreiten könnte, da Marcellus nun nicht zur Verfügung steht«, sagte er und errötete leicht. »Nevitta erlaubt es, und ich habe nichts anderes zu tun.«
Ich schaute ihn überrascht an. »Ja … ja, gewiss. Aber bist du entsprechend vorbereitet? Wir reiten schon am Mittag.«
»Ja.«
»Also gut, abgemacht. Geh mit Ambrosius und kümmere dich um den Maultierzug.« Dann fügte ich hinzu: »Es freut mich, dass du mitkommst.«
Er nickte ernst, drehte sich um und eilte davon.
Kurze Zeit später ritten wir unter grauem Himmel durch das Flusstal und in die Vorberge des Haemus.
Rufus war höflich, wenn er mit mir sprach, ansonsten aber sehr still. Ich überließ ihn seinen Gedanken. Seine Schimmelstute war lahm; deshalb ritt er einen kräftigen Falben wie die einfachen Soldaten, und das Tier war genauso mürrisch wie er.
Doch ich sagte mir, dass es gut für ihn sei, mitzukommen. Seine Laune würde sich bald bessern.
Wir erreichten den Pass ohne Zwischenfall. Am Abend, als wir beim Essen saßen, erwähnte der Garnisonshauptmann, ein junger Mann, der mit mir in Gallien gekämpft hatte, dass einer seiner Späher Bewegungen gemeldet habe. »Wahrscheinlich nur Hirten aus dem Umland«, meinte er. »Wir sehen sie oft entlang der Wege. Manchmal kommen sie ans Tor, um uns eine Ziege oder ein Schaf zu verkaufen.«
Rufus schien begierig zu sein, den Pass zu sehen, und sagte: »Wir sollten der Sache morgen selbst nachgehen.«
»Ja, warum nicht?«, sagte ich. So machten wir uns am nächsten Morgen nach einem guten Frühstück bei dem Hauptmann und seinen Männern zu zweit auf den Weg und stiegen zwischen den Bäumen zu dem felsigen Gipfel hinauf.
Über Nacht waren die Wolken fortgezogen. Der Morgen war klar und kalt, und es roch nach Kiefern. Hoch oben schwebte ein Adler am Himmel und hielt nach Beute Ausschau.
Wir stapften schweigend voran und hörten nur die eigenen Schritte und das Säuseln des Windes in den Zweigen. Ich drängte Rufus kein Gespräch auf, sah ihn vor sich hin brüten und spürte, dass er etwas zu sagen hatte. Ich wollte warten, bis er zu reden bereit war.
Es dauerte nicht lange, bis die Kiefern sich ausdünnten und wir auf eine felsige Lichtung gelangten, von der man in die steile Schlucht blicken konnte. Ich blieb stehen und schaute über den endlosen Himmel. Mir war klar gewesen, dass hier oben keine feindlichen Soldaten lauerten; ich hatte zum Vergnügen hier hinaufsteigen wollen. Auf Berggipfeln fühlte ich die Gegenwart der Götter, und nun kehrte der Optimismus zurück, den ich in Julians Beisein empfunden hatte; die ganze Welt schien voller Möglichkeiten und Verheißungen zu sein.
Ich atmete tief die kalte Luft ein. Von irgendwoher war ein Wasserfall zu hören, und weit unten pfiff der Wind durch die Schlucht. »Das ist eine prachtvolle Aussicht«, sagte ich zu Rufus, der hinter mir stand. »Siehst du dort die Stadt am Fluss? Das ist Philippopolis, und dahinter liegt Thrakien, das bis ans Meer und nach Konstantinopel reicht.«
»Ich habe etwas gehört!«, sagte er plötzlich.
»Wahrscheinlich nur ein Vogel oder ein Luchs.«
»Nein, da unten in der Schlucht.«
Ich trat einen Schritt näher an den Rand und schaute, während ich mich über seine angespannte Stimme wunderte. Unter mir sah ich nur dichte Bäume und Felsspalten mit Schnee darin. Ich wollte ihm sagen, er solle sich keine Sorgen machen, doch er entfernte sich schon und meinte: »Wir brauchen nurein kleines Stück weiterzugehen, dann können wir besser hinunterschauen.«
Widerstrebend wandte ich mich von der Aussicht ab und folgte ihm.
»Hier entlang!«, rief er einige Schritte vor mir und verschwand hinter einem Felsen.
Ich weiß noch, wie ich mich wunderte, weil er mit einem Mal
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