Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)
Regierungsgeschäften, die ihm stets am Herzen lagen.
Wie in Gallien hatte Constantius den Illyrern lastende Steuern auferlegt, die sie nicht zahlen konnten. Julian hob die Steuern auf, und diesmal gab es deswegen keine Auseinandersetzungen mit Bürokraten. Constantius und vor ihm Constantin hatten alle Macht an sich gezogen. Julians Absicht war es dagegen, den Städten ihre Freiheit zurückzugeben. Er wollte ihnen erlauben, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln und ihre Geldmittel zu beschaffen, wie sie es für richtig hielten. »Wie kann ein Mann stolz sein, wenn er nicht sein eigener Herr ist?«, sagte er immer wieder. »Und was für den Einzelnen gilt, gilt auch für Städte. Sie kennen ihre Bedürfnisse besser als die fernen Beamten des Hofes.«
Zur selben Zeit verkündete er Maßnahmen, die die Bürger ermutigen sollten, wieder den Stadträten beizutreten; er ordnete an, die Theater, Bibliotheken, Basiliken und Bäder wieder zu öffnen; er gab Mittel frei, um die verfallenden Aquädukte instand setzen zu lassen, die die Städte mit Wasser versorgten und erbaut worden waren, als die Menschen noch an die Idee Roms glaubten.
Der Winter schritt voran. In Naïssus wehte ein eisiger Windvon den Bergen durch das Flusstal, und wir froren in der vergoldeten Pracht von Constantius’ Palast. Die hohen, luftigen Räume waren gebaut, um in der Sommerhitze für Kühle zu sorgen, nicht um Kälte fernzuhalten.
Die Belagerung Aquileias zog sich hin. Irgendwie machte sich die Ansicht breit, Julian habe sich übernommen; er hätte die zwei Legionen Lucillians lieber umbringen sollen, als sie in den Westen zu schicken. Das waren törichte Gedanken, doch sie hielten sich so hartnäckig wie ein Winterfieber. Marcellus hörte sie zuerst von Rufus, den er so oft wie möglich mit Aufgaben betraute.
»Er redet, als wären wir schon besiegt«, sagte er, als er mir davon erzählte.
Ich zuckte die Achseln. »Spricht da Nevitta aus ihm oder er selbst?«
»Wie soll man das wissen? Ich nehme an, er hat es von Nevitta, wie das meiste.«
Nevitta konnte keine Ruhe geben. Den Winter über hielt er sich mit sinnlosen Dingen beschäftigt und warf seinen Untergebenen Trägheit vor, wenn sie nicht das Gleiche taten. Ob er es dabei meinetwegen besonders auf Marcellus abgesehen hatte, war mir nicht ganz klar. Jedenfalls schickte er ihn mit allen möglichen Aufträgen aus – ließ ihn im Hochland bei bitterer Kälte Übungen abhalten oder Kuriere mit Depeschen zum Succi-Pass oder nach Serdica eskortieren, das auf halber Strecke lag.
Als ich begriff, was Nevitta tat, erzählte ich Marcellus von dem Unheil verkündenden Gespräch im Stall. Ich hatte ihn nicht damit belasten wollen, doch da ich nun Nevittas kleinliche Bosheiten sah, schloss ich, dass ich die Ursache war.
»Ja«, sagte Marcellus stirnrunzelnd, »aber lass ihn so weitermachen und halte dich von ihm fern. Er stiftet nur Unruhe. Er mag sich wie ein König kleiden, aber unter seinem Pelz und dem Geschmeide steckt ein Krämergeist.«
Ich fragte ihn, wie er das meinte.
»Er kümmert sich nur um sich selbst, dabei kennt er sich nicht einmal genügend, um zu wissen, was für ihn gut wäre. Ich fürchte, am Ende strebt er nur nach Macht und Reichtum. Alles andere, was Julian etwas bedeutet, wie Weisheitsliebe, ein harmonischer Geist oder die Kunst des Regierens, geht über seinen Verstand. Nun, du hast gesehen, wie er weghört, sobald Julian von solchen Dingen spricht. Im Grunde ist er ein Plünderer. Er hat kein Verständnis für die Tugenden eines Staatsmannes.«
Dann, an einem kalten, windigen Morgen, kam Rufus zu meinem Erstaunen in mein Arbeitszimmer – einen hallenden, lächerlich großen Raum mit Malachitsäulen und vergoldeten Kapitellen, in den leicht hundert Mann gepasst hätten.
Ich sprach gerade mit einem jungen Offizier namens Ambrosius, um alles für eine Lieferung Wintervorräte an die Garnison am Succi-Pass zu veranlassen. Ich war mit Marcellus zu einem Ausritt verabredet. Er hatte sich endlich ein paar Tage Urlaub gesichert, und wir wollten zusammen zum Pass hinauf.
Rufus wartete unruhig neben der Flügeltür, bis ich mit Ambrosius fertig war. Ich rief ihn herein und fragte, wie es ihm gehe.
»Ich habe mich gefragt, wer den Versorgungszug zum Succi hinaufbringt«, sagte er und blickte dabei auf einen Korb mit Schriftrollen, der auf meinem Schreibpult stand.
»Marcellus und ich. Warum fragst du?«
»Ich habe Marcellus am Stall getroffen. Er muss mit einem Trupp
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