Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)
zu sein.
Zuerst geschah nichts. Dann knackte es, als würde ein Ast brechen. Das Flusseis knirschte, und der Dachziegel neigte sich und rutschte ins Wasser, wo er verschwand.
Julian wischte sich den Reif von den Händen und drehte sich zu uns um. »Wie es scheint, haben sie ihren Plan zu früh offenbart. Victor, hol Männer zu den Booten.«
Den ganzen Vormittag hackten wir mit Äxten und Piken das Eis von unseren paar flachen Flussbooten. Die Franken kauerten entlang der Brustwehr und sahen grimmig zu, und ausnahmsweise waren sie einmal still. Noch vor Sonnenuntergang baten sie um Verhandlungen. Sie seien Krieger, sagten sie, und wollten keine Sklaven werden. Wenn der Cäsar bereit sei, sie ehrenvoll zu behandeln, würden sie sich ergeben. Wenn nicht, würden sie kämpfen bis zum letzten Mann.
Julian, der nichts weniger getan hätte, erklärte sich einverstanden. Er versprach, sie so zu behandeln, wie es Kriegern gebührt, und sie nach dem Osten zu senden, damit sie im Heer des Kaisers dienten, in das schon andere fränkische Stämme aufgenommen worden seien. Die Barbaren waren es zufrieden, denn kurz darauf kamen sie in ihren ranzigen Fellen aus dem Kastell, große Männer mit langen blonden Haaren, die ihnen wie Schnüre über den Rücken hingen.
Danach setzten wir das Kastell instand und bemannten es mit Römern. Vom gegenüberliegenden Ufer der Maas, im Schatten des dichten Waldes, sahen wir hellhaarige Männer, die uns beobachteten. Was immer sie geplant hatten, sie gaben es nun auf. Einen halben Tag lang blieben sie noch und sahen zu, wie ihre Stammesgenossen weggeführt wurden; dann verzogen sie sich in die endlosen Wälder.
Aber während sie noch dort waren, kam Florentius, um von der Mauer aus hinüberzuschauen.
»Diesmal hat der Cäsar Glück gehabt«, sagte er laut zu seinem Diener.
Julian war nicht zugegen. Vielleicht hätte ich den Mund halten sollen, doch die Bemerkung erschien mir so gemein und nörgelig, dass ich mich nicht zurückhalten konnte und rief: »Vermutlich auch wieder Anfängerglück, wie?« Leises Gelächter kam von den Männern ringsum, die mit der Instandsetzung beschäftigt waren.
Florentius sah mit scharfem Blick in die Runde, trat dann nahe an mich heran und raunte: »Spar dir deine Scherze, Drusus. Neue Besen kehren gut. Er hatte einen kleinen Erfolg gegen einen Haufen Plünderer. Aber er ist waghalsig und wird noch straucheln.«
Eutherius kehrte von seiner diplomatischen Mission beim Kaiser nach Paris zurück. Ich war bei Julian in seinem Arbeitszimmer, als Eutherius vorgelassen wurde.
Julian hatte mir seine Bücher gezeigt. Es war keine so große Bibliothek, wie Marcellus’ Großvater sie in London besessen hatte, doch er hatte ein paar Favoriten, von denen er sich nicht trennte und die er immer wieder las – das Leben Alexanders, um sich dessen Größe vor Augen zu halten, Cäsars Eroberung Galliens wegen der Taktik und Platons Schriften über das Gesetz und die Liebe zur Weisheit. Er besaß aber auch eine viel gelesene Abschrift Homers, die er während seines Studiums in Athen erworben hatte und in einer braunen Lederhülle aufbewahrte, damit er sie immer bei sich tragen konnte, selbst auf Feldzügen.
Jetzt legte er die Bücher beiseite, bestellte warmen Wein und Honigkuchen und schickte nach Oribasius. Er war gespannt und zappelig wie ein Knabe und schritt unablässig umher. Ich sagte, ich werde ihn seinen Geschäften überlassen, doch er wehrte ab: »Nein, bleib. Es gibt nichts, das du nicht hören darfst.«
Eutherius kam direkt aus dem Bad, sah frisch aus wie eine Blume nach dem Regen und duftete nach Lilien.
Er begrüßte Julian; dann wandte er sich mir zu, breitete theatralisch die Arme aus und rief: »Drusus! Welch eine Freude, dich hier zu sehen!« Er nahm meinen Arm und fragte nach Marcellus – er wusste, was einem Mann am wichtigsten ist, undtrotz meiner Zurückhaltung war ich vermutlich wie ein offenes Buch für ihn. Wein und Kuchen wurden gebracht, und Julian fragte: »Was gibt es Neues?«
Eutherius ließ sich auf der Liege nieder und zog sein Gewand aus jadegrüner Seide zurecht. Er nahm sich einen Honigkuchen, tunkte ihn in seinen Wein, kostete mit offensichtlichem Genuss und begann zu berichten.
Als er nach einer abenteuerlichen Reise an den Hof in Sirmium kam, verweigerte Oberkämmerer Eusebius ihm eine Woche lang die Audienz beim Kaiser. »Du weißt ja, wie das ist … diese kleinliche Boshaftigkeit, die unter fadenscheiniger Höflichkeit
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