Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)
Wächterkreis umgaben.
»Der Platz fiel mir auf, als wir mit dem Heer daran vorbeizogen, und ich schwor mir, hierherzukommen. Die Bäume wurden vor langer Zeit von Menschen gepflanzt. Seht ihr, wie sie angeordnet sind? Wer sie gepflanzt hat, wusste, dass hier heiliger Boden ist. Es gibt Menschen, die so etwas spüren, so wie es Menschen gibt, die unterirdisches Wasser finden. Aber zunächst einmal muss man ein offenes Auge dafür haben.«
Er ging zu seinem Pferd, um einen kleinen Lederbeutel zu holen, und stellte sich dann vor das Dreibein. Er öffnete den Beutel, nahm Myrrhekörner heraus und streute sie auf den brennenden Zunder. Sie zischten und fauchten, und kringelnd stieg violetter Rauch auf, der vor dem kobaltblauen Himmel verwehte.
»Für Apollo, den Sonnengott«, sagte er. »Als kleines Entgelt für ein großes Geschenk.« Er begegnete meinem Blick und nickte. »Jetzt weißt du es. Der Kaiser würde mich töten, wenn er es erführe. Er ist ein allzu eifriger Christ.«
Er schwieg eine Zeit lang und blickte nach Osten über die Ebene zur blassen Sonne. Dann warf er die letzten Myrrhekörner ins Feuer.
»Die Sonne ist ein passendes Bild, meinst du nicht? Denn was ist Gott, wenn nicht das Licht, das alles andere angemessen hervortreten lässt? Als ich ein Knabe war, behaupteten die Priester und Bischöfe, die alten Götter seien erlogen, bloß törichte Märchengestalten. Sie machten sich über sie lustig und fragten: Riechen die Götter die Blumen, die wir ihnen im Frühling opfern? Ist der donnernde Zeus mit seiner Hekatombe zufrieden, und riecht Helios den süßen Weihrauch? Ich kenne die Antworten auf diese Fragen nicht, aber eines weiß ich: Indem wir etwas verehren, das größer ist als wir selbst, folgen wir demhehren Pfad, der uns zum Guten führt.« Kurz schwieg er; dann drehte er sich zu mir um und sagte: »Constantius hat meinen Vater ermordet. Wusstest du das?«
Ich nickte, denn ich hatte davon gehört. Außerdem war mir zu Ohren gekommen, dass der Kaiser Julian während seiner Kindheit auf ein fernes Gut in Asien verbannt hatte, wo er von der Welt abgeschnitten gewesen war. Jetzt erzählte er uns davon – und noch mehr.
»Auf Befehl des Kaisers wurde ich zum Christen erzogen. Ich glaubte alles, was meine priesterlichen Lehrer sagten, nahm es in mich auf wie ein Kind die Muttermilch. Wie sollte ich auch nicht? Ich kannte nichts anderes. Doch als ich älter wurde und ein wenig las, begann ich, Fragen zu stellen. Ich wollte wissen, wieso die Priester einen eifersüchtigen Mann für tadelnswert hielten, die gleiche Eigenschaft bei ihrem Gott aber als heilig betrachteten. Warum hatte ihr Gott zehntausend Jahre lang zugeschaut, wie die Menschen Götzen anbeteten, außer bei diesem kleinen Stamm in Palästina? Und warum beten sie seinen Sohn an, wenn es doch der Wille ihres Gottes ist, dass kein anderer neben ihm geduldet wird?« Er lachte, als er sich daran erinnerte. »Das sind Kinderfragen, ich weiß. Aber weil die Priester nicht darauf antworten konnten – vielleicht auch, weil ich überhaupt zu fragen wagte –, schlugen sie mich und drohten meinen Ungehorsam dem Kaiser zu melden. Also stellte ich das Fragen ein. Aber nicht das Denken. Ich behielt meine Ansichten für mich, sagte ja, wenn sie ein Ja hören wollten, und nein, wenn sie ein Nein hören wollten, wie der Sklave eines grausamen Herrn.«
Er schaute zu den Kiefern hinauf. Der Schmerz der Erinnerung war ihm anzusehen. Ich fragte mich, wem er diese Geschichte schon erzählt haben mochte; dann fiel mir ein, was Marcellus gesagt hatte: dass Julian ihm wie ein Mann vorkomme, der schon zu lange ein Geheimnis für sich behalten hatte und es nun loswerden wollte.
Julian holte tief Luft und fuhr fort.
»Eines Tages, es war lange Zeit später, wurde mir erlaubt, in die Stadt zu gehen – streng bewacht von einem meiner Erzieher. Als er sich erleichtern ging, lief ich ihm davon und schlenderte durch die Kolonnaden und Säulenhallen. Dabei stieß ich auf ein paar Männer, die unter einem Ölbaum saßen und plauderten. Es waren Philosophen. Damals wusste ich noch nicht, was ein Philosoph ist. Aber ihnen zuzuhören war wie ein Regenguss nach langer Dürre. Ich wusste sofort, dass ich gefunden hatte, wonach sich meine Seele sehnte. In den darauffolgenden Jahren erkannte ich immer deutlicher, was die Priester mir hatten vorenthalten wollen. Für sie ist die Philosophie der Feind, weil sie die Menschen frei macht. Es gibt aber keine Freiheit ohne
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