Wen die Goetter strafen
länger dulden. Ich schlage vor, dass Sie eine andere Schule suchen, die eher für ihn geeignet ist.«
»Mr. Henry«, sagte Dana ernst, »Kemal legt es nicht auf Streit an. Wenn er trotzdem in eine Prügelei gerät, muss er einen guten Grund dafür gehabt haben, da bin ich mir völlig sicher. Sie können doch nicht –«
»Wir haben unsere Entscheidung getroffen, Miss Evans«, erwiderte Mr. Henry in einem Tonfall, der keinen Widerspruch zuließ.
Dana atmete tief durch. »Na schön. Dann suchen wir uns eben eine Schule, in der man mehr Verständnis hat. Komm, Kemal.«
Kemal stand auf, warf Mr. Henry einen wütenden Blick zu und verließ hinter Dana das Büro. Schweigend gingen sie hinaus auf den Bürgersteig. Dana blickte auf ihre Uhr. Sie kam jetzt zu spät zu ihrem Termin, und außerdem wusste sie nicht, wo sie Kemal unterbringen sollte.
Ich muss ihn mitnehmen.
»Na schön, Kemal«, sagte Dana, als sie im Wagen saßen. »Was war los?«
Nie und nimmer konnte er ihr erzählen, was Ricky Underwood gesagt hatte. »Es tut mir sehr, sehr Leid, Dana. Es war meine Schuld.«
Krass,
dachte Dana.
Die Hudsons wohnten auf einem zwei Hektar großen Grundstück in einer vornehmen Gegend von Georgetown. Eine lange, geschwungene Auffahrt führte hügelan zu dem weißen zweistöckigen Herrenhaus im georgianischen Stil, das von der Straße aus nicht zu sehen war.
Dana hielt vor dem Haus. Sie blickte zu Kemal. »Du kommst mit rein.«
»Wieso?«
»Weil es hier draußen zu kalt ist. Komm schon.«
Dana ging zur Haustür, worauf Kemal ihr widerwillig folgte.
Dana wandte sich an ihn. »Kemal, ich mache hier ein wichtiges Interview. Ich möchte, dass du ruhig und höflich bist. Okay?«
»Okay.«
Dana klingelte. Die Tür wurde von einem freundlich wirkenden, hünenhaften Mann geöffnet, der eine Butleruniform trug. »Miss Evans?«
»Ja.«
»Ich bin Cesar. Mr. Hudson erwartet Sie.« Er blickte zu Kemal, dann wieder zu Dana. »Darf ich Ihnen die Mäntel abnehmen?« Kurz darauf hängte er sie in eine Gästegarderobe in der Eingangshalle. Kemal starrte fortwährend zu Cesar auf, der ihn turmhoch überragte.
»Wie groß sind Sie?«
»Kemal!«, sagte Dana. »Sei nicht so unhöflich.«
»Ach, ist schon in Ordnung, Miss Evans. Ich bin das gewohnt.«
»Sind Sie größer als Michael Jordan?«, fragte Kemal.
»Ich fürchte ja.« Der Butler lächelte. »Ich bin zwei Meter sechzehn groß. Hier entlang bitte.«
Die Eingangshalle war riesig, ein langer Saal mit Hartholzboden, alten Spiegeln und Marmortischen. Die Wände waren von Regalen gesäumt, in denen kostbare Figurinen aus der Ming-Dynastie und Chihuly-Statuen aus mundgeblasenem Glas standen.
Dana und Kemal folgten Cesar den Flur entlang zu einem tiefer liegenden Wohnzimmer mit hellgelben Wänden und weißem Gebälk. Der Raum war mit bequemen Sofas, Queen-Anne-Tischchen und hellgelben Sheraton-Ohrensesseln eingerichtet.
Senator Roger Hudson und seine Frau Pamela saßen an einem Backgammon-Tisch. Sie erhoben sich, als Cesar Dana und Kemal ankündigte.
Roger Hudson war ein streng wirkender Mann Ende fünfzig mit kühlen grauen Augen und einem verhaltenen Lächeln. Er strahlte eine gewisse Unnahbarkeit aus, so als wäre er ständig auf der Hut.
Pamela Hudson, etwas jünger als ihr Mann, war eine Schönheit. Sie wirkte herzlich, aufgeschlossen und natürlich. Sie hatte aschblonde Haare mit ein paar grauen Strähnen, die sie nicht zu kaschieren versuchte.
»Tut mir Leid, dass ich zu spät komme«, entschuldigte sich Dana. »Ich bin Dana Evans. Das ist mein Sohn Kemal.«
»Roger Hudson. Das ist meine Frau Pamela.«
Dana hatte per Internet Erkundigungen über Roger Hudson eingeholt. Sein Vater hatte eine kleine Stahlhütte besessen, die Hudson Industries, die Roger Hudson zu einem Konzern von Weltgeltung aufgebaut hatte. Er war Milliardär, war einst Vorsitzender der Mehrheitsfraktion im Senat und des Wehr- und Streitkräfteausschusses gewesen. Er hatte sich mittlerweile aus dem Geschäftsleben zurückgezogen und war nur mehr als politischer Berater für das Weiße Haus tätig. Vor fünfundzwanzig Jahren hatte er Pamela Donnelly geheiratet, eine begehrte Schönheit aus guter Familie. Die beiden waren in der Washingtoner Gesellschaft sehr beliebt und politisch überaus einflussreich.
»Kemal, das sind Mr. und Mrs. Hudson«, sagte Dana. Sie wandte sich an Roger. »Entschuldigen Sie bitte, dass ich ihn mitgebracht habe, aber –«
»Das ist doch völlig in Ordnung«, sagte Pamela
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